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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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nur nach vorheriger Absprache, so komisch das jetzt klingt. Dass er mich so kurzfristig sitzen lässt wie heute, ist neu.«
    Neundorf horchte auf, überlegte. »Und das wissen Sie seit gestern Abend.«
    »Kurz vor Elf, als ich mit meiner Frau nach Hause kam. Ich hörte den Anrufbeantworter ab, da war seine Mitteilung drauf. Er könne die nächsten Tage nicht kommen, ich solle mir keine Gedanken machen.«
    »Die nächsten Tage?«
    »Ja. Ich denke: heute, Freitag und morgen, Samstag. Am Montag wird er wieder da sein.«
    »Wie begründete er sein Fernbleiben?«
    »Was weiß ich? Mehr war nicht auf dem Band. Ich rief noch bei ihm an, aber er nahm nicht ab. Wahrscheinlich ist er schon abgedampft zu einem Rennen.«
    »Aber er hat vorher nichts davon erwähnt.«
    »Null. Deswegen wundert es mich ja so.«
    »Herr Holdenried ist nicht verheiratet?«
    Gaiser schüttelte den Kopf.
    »Hat er eine Freundin?« Sie wusste nicht, inwieweit ihr Gesprächspartner über das Privatleben seines Kompagnons informiert war, wunderte sich über seine schnelle Antwort.
    »Zur Zeit nicht«, sagte der Mann und strich sich wieder über seine Glatze. »Nicht dass es da keine Gelegenheit gäbe, aber Falk trauert immer noch seiner Ex nach, die ihm so ein Schwein ausgespannt hat.«
    »Woher wissen Sie, dass sie ihm ausgespannt wurde?«
    »Na, weil er mir das selbst erzählte. Was heißt erzählte. Jeden Tag aufs Neue fängt er damit an. Seit einem halben Jahr ungefähr geht das so.«
    »Er ist noch nicht darüber hinweg?«
    »Darüber hinweg? Haben Sie eine Ahnung. Der hat kein anderes Thema. Ich kann es nicht mehr hören. Dann geh doch hin und hau dem Kerl den Ranzen voll, habe ich ihm erklärt, damit er endlich Ruhe gibt.«
    »Und? Wie hat Holdenried reagiert?«
    Gaiser runzelte die Stirn, zuckte dann mit der Schulter. » Den Ranzen voll hauen, diesem Sitzpisser, das soll es sein? Ihr Neuer ist ein Schachspieler«, Gaiser betonte das Wort mit spitzer Zunge, »verstehen Sie? Ein Schachspieler«, wiederholte er, als handelte es sich bei dem Mann um ein Geschöpf von einem anderen Stern. »Den Ranzen voll hauen, das bringt doch nichts. Ich werde das Schwein abschlachten, hat er getobt. Was man halt so sagt in solchen Situationen.«
    »Abschlachten?«, vergewisserte sich Neundorf. »Das wissen Sie genau?«
    Gaiser trat einen halben Schritt zurück, betrachtete sie mit aufmerksamer Miene. »Oh je, habe ich jetzt was Falsches gesagt?«
    »Nein, das haben Sie nicht. Ich möchte nur genau wissen, wie Herr Holdenried sich ausgedrückt hat.«
    »Sie werden das doch jetzt nicht für bare Münze nehmen und Falk eine reinwürgen wollen?«
    »Weshalb sollte ich?«
    »Weil Sie alles so genau wissen wollen.« Er trat wieder einen halben Schritt näher, winkte mit der Rechten ab. »Falk hat es eben noch nicht verwunden, dass seine Ex ihm wegen so einem Sitzpisser den Laufpass gegeben hat. Ein Schachspieler, verstehen Sie, ein Schachspieler!!« Gaiser stampfte mit beiden Füßen abwechselnd auf den Boden. »Kein Wunder, dass er den Kerl umbringen wollte. Mir ginge das auch nicht anders, wenn meine Frau mit so einem Sitzpisser daherkäme.«

6.
    Die Binswanger Straße führte mitten durchs Zentrum von Neckarsulm. Vom mächtigen Wall der Stadtmauer, die die Häuserzeilen zum Neckartal hin abschirmte, war an dieser Stelle nichts zu sehen. Neundorf erreichte das Haus mit der Wohnung Holdenrieds kurz vor 14 Uhr. Sie hatte die Staatsanwältin telefonisch über den Inhalt ihres Gesprächs mit Norbert Gaiser unterrichtet und sich aufgrund der gehäuften Verdachtsmomente die Erlaubnis zur Durchsuchung der Wohnung geben lassen, anschließend die Spurensicherer über ihr Vorhaben informiert. Danach war sie in einer Heilbronner Bäckerei eingekehrt, hatte einen Kaffee getrunken und einen Imbiss zu sich genommen.
    Der Beschilderung der Klingelanlage nach wohnte der Gesuchte im obersten Stockwerk des Gebäudes, der dritten Etage. Neundorf läutete mehrmals, kam erst ins Haus, als eine junge Frau die Tür öffnete und ins Freie trat. »Vielen Dank, ich möchte zu Herrn Holdenried«, erklärte sie, um den misstrauischen Blick der jungen Frau zu besänftigen.
    »Ist der da?«
    »Warum soll er nicht da sein?«
    Die Frau legte ihre Stirn vollends in Falten, deutete nach oben. »Hören Sie irgendwelchen unerträglichen Lärm?«
    Neundorf zuckte mit der Schulter, trat ins Haus, hörte die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sie folgte den hellen Marmorimitatstufen nach oben, las den

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