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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Namen Holdenried an der rechten Tür des dritten Stockwerks, läutete erneut. Sie hörte das gleichmäßige Summen der Glocke, wartete vergeblich auf weitere Geräusche. Einzig ihr Handy vibrierte.
    Sie stieg die Treppe hinunter zur nächsten Etage, nahm das Gespräch an. Volker Seibert war in der Leitung.
    »Ich stehe auf dem Marktplatz in Neckarsulm, meinem Plan nach zwei Gehminuten vom Haus dieses Holdenried entfernt. Wann kann ich damit rechnen, dass Frau Kollegin dort erscheinen, um sich von mir in die Wohnung begleiten zu lassen? Soll ich vorher noch im nächstbesten Lokal einkehren und mir einen Rostbraten bestellen?«
    »Die Kollegin wartet bereits vor der Wohnungstür. Es wäre schön, wenn der Herr auf den Rostbraten verzichtet und sich stattdessen beeilt.«
    »Oh, das klingt gut. Ich fliege.«
    Neundorf eilte die Stufen vollends nach unten, öffnete die Tür, sah den Spurensicherer kurz darauf um die Ecke kommen. Er trug einen großen schwarzen Koffer in der Hand, winkte von weitem.
    Sein Gesicht war hochrot angelaufen, als er sie erreichte. Er gab ihr die Hand, begrüßte sie, deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. »Ich habe den Wagen im Parkhaus abgestellt«, erklärte er um Luft ringend. »Sicherheitshalber. Ich wusste nicht, wo genau das Haus liegt.« Sein Atem ging stoßweise, er musste erst kurz verschnaufen, bevor er zu einer ausführlicheren Unterhaltung fähig war.
    »Sehr gut. Du hast alles dabei?« Sie deutete auf den Koffer.
    »Tür öffnen und die Wohnung untersuchen. Das volle Programm, ja?«
    Neundorf nickte. »Der Typ scheint ausgeflogen. Ich habe es schon mehrfach versucht, da kommt keine Reaktion.«
    »Dann gehen wir rein.«
    Sie stiegen die Stufen hoch, bauten sich vor Holdenrieds Wohnungstür auf. Neundorf läutete zweimal, wartete das Echo der Glocke ab, klopfte an die Tür. »Herr Holdenried, hier ist die Polizei. Wir kommen jetzt in Ihre Wohnung. Die Erlaubnis des Untersuchungsrichters liegt vor.« Sie entsicherte ihre Waffe, ließ den Kollegen an die Tür.
    Seibert zog einen Schlüsselbund vor, machte sich am Schloss zu schaffen, probierte mehrere Kombinationen aus. Plötzlich sprang die Tür auf.
    Der Spurensicherer warf einen demonstrativen Blick auf seine Uhr. »Fünfundfünfzig Sekunden«, sagte er mit triumphalem Lächeln. Er öffnete seinen Koffer, reichte ihr mehrere Schutzüberzüge für Hände und Schuhe, verschloss ihn wieder.
    Neundorf nickte ihm anerkennend zu, streifte das hauchdünne Plastik über ihre Schuhe, schob die Tür ganz auf. Sie wiederholte lauthals ihr Vorhaben, betrat dann, die Waffe in der Hand, die Diele. Vorsichtig um die Ecken spähend inspizierte sie Raum auf Raum. Niemand zu sehen, keine Menschenseele. Holdenried schien tatsächlich ausgeflogen.
    »Du kannst kommen«, gab sie Seibert Bescheid, »alles okay.« Sie sah, wie er seinen Koffer aufnahm und ihr in die Wohnung folgte.
    Die gesamte Einrichtung wies Spuren eines alleinstehenden männlichen Wesens auf: Stapel von Kartons und Bierkisten in der schmalen, über und über vollgestellten Diele, Berge von schmutzigem Geschirr in der abgenutzt wirkenden Küche, abblätternde Lackstreifen am Schlafzimmerschrank, leere Bierflaschen kreuz und quer über den Wohnzimmerboden verstreut. Wohin auch immer Holdenried verschwunden war, er schien es sehr eilig gehabt zu haben – Zeit zum Aufräumen war ihm nicht mehr geblieben.
    »Der Herr des Hauses liebt Ravioli aus der Dose«, meldete sich Seibert bei einer ersten Inspektion der Küche, »hier liegen jedenfalls Tonnen leerer Dosen dieser exquisiten Delikatesse.«
    Neundorf nahm die Worte des Kollegen kaum wahr. Sie stand mitten im Wohnzimmer, betrachtete die einer Fototapete ähnlich von unzähligen Bildern geschmückten Wände des Raums. Die Anzahl der Fotos zu ermitteln war kaum möglich, fast die komplette Fläche jeder Wand, soweit sie nicht von der Polstergruppe oder dem überdimensionierten Flachbildschirm verdeckt war, zeigte sich von Bildern in Beschlag genommen. Kleine und große Formate wechselten einander ebenso ab wie Motive mit und ohne Rahmen. So unterschiedlich alle Fotos jedoch ausfielen, ein gemeinsames Merkmal war auf allen zu finden: Das Porträt einer hübschen jungen Frau, aufgenommen an den verschiedensten Orten und zu den verschiedensten Zeiten. Häuser, Bäume, Berge, Wasser im Hintergrund, Frühlingsblüten, Sommerblumen, farbiges Laub, mit Schnee bedeckte Wege rings um die Frau herum.
    Neundorf musste nicht lange

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