Schwaben-Herbst
sich vor dem gleißenden Licht zu schützen. »Ich bin zwar nicht der Ermittler«, sagte er, »aber soweit ich das beurteilen kann, ist die Handschrift eindeutig. Das so zu bewerkstelligen, ist wirklich nicht einfach.«
Sie wusste, was er meinte, erinnerte sich ihres ausführlichen Gesprächs nach dem ersten Mord. Was auch immer den Täter veranlasst hatte, seine Opfer vor deren Tod noch mit Säure zu quälen, seine sadistischen Attacken beinhalteten stets ein zusätzliches Risiko für ihn selbst.
»Der Kerl attackiert sein Opfer mit Säure. Wie soll ich mir das vorstellen, wie er die an den Tatort bringt?«, hatte sie gefragt. »Der trägt das Zeug doch nicht in einer Flasche oder einem Glas mit sich herum, oder?«
»Du meinst, er hat das Problem, jede Berührung mit dem Material vermeiden zu müssen, es andererseits aber schnell als Waffe einsetzen zu können?«
»Genau. Er muss doch damit rechnen, sich selbst zu verletzen. Wie kann er das ausschließen?«
»Ausschließen?«, hatte Hutzenlaub erwidert. »Ausschließen kann er das nicht. Dieses Risiko bleibt. Hochprozentige Säuren sind nun mal gefährlich. Aber trotzdem wird er natürlich Vorkehrungen getroffen haben, zu vermeiden, sich selbst Schaden zuzufügen. Schon allein um nicht durch etwaige Hautverätzungen den Verdacht auf sich zu lenken.«
»Und wie hat er das getan? Ein möglichst geringes Risiko einzugehen, meine ich?«
»Er benutzt Spritzen«, hatte sich Markus Schöffler eingemischt, »stabile Spritzen aus bruchfestem Glas und mit einer speziellen Verankerung, so dass sie ihren Inhalt nicht aus Versehen freigeben können. Die findest du in Massen in jedem Krankenhaus. Du steckst sie in deine Jackentasche und wenn dein Opfer kommt, löst du die Sicherheitssperre und bist bereit.«
»Und das Risiko, sich selbst mit dem gefährlichen Inhalt zu verletzen?«
»Du musst dich schon granatenmäßig dämlich anstellen, um das hinzubekommen. Das ist so gut wie unmöglich. Das Material ist absolut bruchfest.«
Schöffler war kurz in seinem Labor verschwunden, hatte ihr eine Spritze mitgebracht und deren spezielle Sicherheitstechnik detailliert erklärt. »Im Prinzip bleibt nur ein einziger gefährlicher Moment«, hatte er ergänzt, »nämlich der, in dem er sein Opfer mit dem Zeug attackiert. Wenn er nicht weit entfernt genug steht oder die Spritze zu schnell entleert, können ein paar Tropfen von der Haut oder der Kleidung des Überfallenen abprallen und ihn selbst treffen.«
»Das heißt, der Täter könnte selbst Spuren von Verätzung aufweisen?«
»Nur wenn du viel Glück hast, sehr viel Glück«, hatten Hutzenlaub und Schöffler übereinstimmend geantwortet. »Wahrscheinlich war der Abstand zwischen Täter und Opfer zu groß. Wir haben keinerlei Schmauchspuren seiner Pistole entdecken können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ausgerechnet bei der Säureattacke näher bei seinem Opfer stand.«
»Was ist mit seiner Hand?«, war ihr eingefallen. »Ist das nicht ein wunder Punkt?«
»Du meinst die Hand, in der er die Spritze hält?«
»Genau. Nehmen wir an, er geht so oder zumindest so ähnlich vor, wie ihr es eben beschrieben habt. Er sieht sein Opfer, greift nach der Spritze, zieht sie aus seiner Tasche, entsichert sie und streckt sie seinem Opfer entgegen. Er hält sie möglichst weit von sich weg, um ja selbst nichts von dem Zeug abzubekommen. Seine Hand aber ist dieser Gefahr weit stärker ausgesetzt.«
»Das ist richtig, ja. Aber dafür gibt es Handschuhe. Gute, säurebeständige Exemplare. Oder zumindest so dick Gepolsterte, dass die Säure, sollten Teile davon tatsächlich auf dem Handschuh landen, zumindest für den Moment davon abgehalten wird, zur Haut durchzudringen. Der Täter benutzte Handschuhe, damit musst du rechnen.«
»Es sei denn …«
»Mit viel Glück für dich trug er Verätzungen auf seiner Hand davon, ja. Aber dann muss es sich schon um einen besonderen Idioten handeln.«
Sie hatten die Verätzungen der Kleidung und der Haut Andreas Sattlers genau überprüft, waren zu dem Ergebnis gekommen, dass der Täter den Spuren nach zu urteilen wohl tatsächlich eine – wenn auch recht großvolumige – Spritze benutzt hatte. Die Spur des Säure-Strahls war trotz der am Kinn und im Schambereich vorhandenen flächenmäßigen Zerstörungen vor allem im Brust- und Bauchbereich des Hemds des Toten in Form einer gewunden verlaufenden Linie nachzuweisen.
»Wir können nur hoffen, uns nie mehr mit so einer abartigen
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