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Schwaben-Liebe

Schwaben-Liebe

Titel: Schwaben-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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gemütlichen Polsterstühle nieder.
    »Wegen mir nicht, nein«, antwortete sie. Sie wies auf die Wasserflasche auf dem Tisch, fragte, ob sie ihm etwas anbieten dürfe.
    Braig, der gerade in einer Bäckerei ein belegtes Brötchen und zwei Tassen Kaffee zu sich genommen hatte, bedankte sich, lehnte ab. »Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich glaube, Sie sind beschäftigt.« Sein Blick wanderte zu den Ordnern und Büchern auf dem kleinen Tisch.
    Emilia Widenoff nickte. »Abendgymnasium. Ich hole das deutsche Abitur nach. Mein Abschluss in Bulgarien wird hier nicht anerkannt.«
    »Respekt. Ihr Deutsch ist perfekt. Sie haben jeden Abend Unterricht?«
    Sie nickte. »Ab 17 Uhr. Vier bis fünf Stunden. Ganz schön anstrengend, obwohl die Lehrer sich sehr bemühen. Mathe und Physik. Da hakt es bei mir. Sprachen lerne ich mit links.«
    »Und Ihre Tätigkeit als Callgirl?«
    Sie zog die Augenbrauen in die Höhe, holte tief Luft. »Das ist beschissen gelaufen. Es war nicht meine erste Wahl, nicht dass Sie glauben.«
    »Sie müssen sich vor mir nicht rechtfertigen. Wir sind erwachsene Menschen und leben in einem freien Land.«
    Die Frau musterte ihn aufmerksam. »Danke für die schönen Worte«, sagte sie. »Auch wenn ich nicht weiß, ob Sie sie nur aus reiner Höflichkeit formuliert haben.«
    »Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen?«
    »Sie sind Polizeibeamter. Normalerweise werde ich von Ihren Kollegen …« Sie verstummte mitten im Satz, betrachtete ihn mit großen Augen, winkte dann ab.
    »Sie wollten darauf hinweisen, dass manche meiner Kollegen Sie nicht gerade freundlich behandeln?« Er sah ihr zuerst zögerndes, dann vorbehaltlos zustimmendes Nicken. »Ich weiß, ja. Aber bitte, bedenken Sie, welchem Stress wir manchmal ausgesetzt sind und was wir Tag für Tag erleben.« Was laberst du da, arbeitete es in ihm. Stress, als ob es nur am Stress lag. Manchmal schon, ja. Aber meistens war es doch schlicht und einfach das Vorurteil: Wen habe ich da vor mir: Eine Nutte, keinen vollwertigen Menschen. Als ob …
    »Noch ein halbes Jahr, dann steige ich aus«, unterbrach sie seine Gedanken.
    Er sah ihren in die Ferne entrückten Blick.
    »Seit mir das passiert ist, habe ich den Moralischen.«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Na ja, und jetzt auch noch der Tod von Tobias, ich meine Herrn Hessler. Deswegen sind Sie doch hier, oder?«
    Braig nickte. »Was ist Ihnen passiert?«
    »Sie erwähnten es doch am Telefon. Schniedelwutz, wie er sich nennt.«
    »Einer Ihrer Stammkunden?«
    »So kann man das formulieren, ja. Tobias hat ihn mir vermittelt.«
    »Herr Hessler.«
    »Ich lernte Tobias vor drei Jahren kennen. Er war unterwegs in Bulgarien, meiner Heimat, und suchte Leute für einen neuen Film. Später kamen wir hierher, mehrere junge Frauen. Wir träumten vom großen Geld. Was waren wir naiv! Tobias hatte kaum noch was für mich, er drehte ja nur noch selten. Bis zu der Rolle letztes Jahr. Touristen-Werbung. Tobias war begeistert. Ich musste einfach über eine Wiese und durch den Wald laufen. Das war alles. Zwei Wochen später hatte ich den Landrat in der Leitung. Schniedelwutz, Sie verstehen? Er hatte den Film gesehen und machte mich ganz offen an. Der hoch angesehene, um das Wohl seiner Familie und des Landes bedachte Mann. Sonntags mit Frau und Töchtern demonstrativ in die Kirche, unter der Woche bombastische Parteiparolen und dann am Abend eindeutig zweideutige Angebote am Telefon. Der gab wochenlang keine Ruhe, baggerte mich unverhohlen an. Da kam Tobias auf die Idee. Er wusste, wie viele Schulden ich hatte. 12.000. Ein Verkehrsunfall. Ich sollte schuld gewesen sein. Das sei meine Chance, meinte er. Irgendwann sagte ich ja. Für den Herrn Landrat in seiner heilen Provinz war ohnehin alles klar: Bei einem jungen Ding, das aus einem östlichen Land kommt und sich dann auch noch zu Werbeaufnahmen verleiten lässt, muss es sich um ein liederliches Flittchen handeln. Zwar kein Jahr älter als das eigene Töchterlein, aber eben ein liederliches Flittchen. Tobias half, stellte die Bedingungen. 400 Euro für einen Mittag. Und jetzt kann ich nebenbei noch das Abitur nachholen.«
    »Sie arbeiten nicht hier in der Wohnung?«
    »Tobias wollte es nicht. Er legte Wert auf eine räumliche Trennung. Wir sind drei Frauen und teilen uns die beiden Apartments. Jetzt bin ich froh darüber.«
    »Sie kennen Herrn Hessler näher?«
    »Näher?« Sie hob unschlüssig ihre Hände. »Er ist mir sympathisch«, sagte sie, korrigierte sich dann. »Er war mir

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