Schwaben-Messe
unförmigen Klötze überhaupt nicht gewahr, genossen aber eine prächtige Rundumsicht.
Rainer Hessle war ein schlanker, junger Mann Anfang dreißig, trug kurze, gelbe Hosen, ein schwarzes Muskel-T-Shirt, hatte rote Wangen und eine leicht grinsende Miene, obwohl ihm nicht nach Grinsen zumute war. Seine Frau hatte den Kommissar mit grimmigem Blick an der Wohnungstür empfangen, ihn dann mit kräftigem Griff ins Innere bugsiert und die Tür verschlossen, um es den Nachbarn nicht so einfach zu machen. Sie trug die, wie man an den dunklen Haarwurzeln deutlich sah, blond gefärbten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, war mit dunkelblauen Jeans mit zwei breiten Trägern über einer weißen Bluse bekleidet. Ihr Gesicht zeigte Ärger und Wut. Die giftigen Blicke, die in Richtung ihres Mannes zielten, zeigten, woher ihre Stimmung rührte. Bis Braig das Wohnzimmer erreichte, war Hessle bereits vorausgeeilt und hatte einen Karton auf dem Tisch deponiert.
»Das ist alles, ich schwöre es!« beteuerte der junge Mann, hob die rechte Hand wie zum Schwur.
Braig begriff, dass ihn die Selbstbezichtigung Hessles in seinen Ermittlungen keinen Schritt weiterbrachte. Der Mann war drei Tage vorher mit seinem Kumpel, wie er ihn bezeichnete, kurz vor Geschäftsschluss mit vorgehaltener Pistole in einen Stuttgarter Sex-Shop eingedrungen und hatte zwei Kartons voller Spezialartikel entwendet. Sie waren durch die Berichte in den regionalen Medien über zuvor erfolgte Überfälle darauf gestoßen, dass sie auf diese Weise billig zu Sexartikeln kommen könnten. Weil dies der vierte Einbruch innerhalb weniger Wochen in ein solches Etablissement im Raum Stuttgart war, hatte die Serie große Schlagzeilen in der Boulevard-Presse hervorgerufen. »Sex-Täter« und »Perverse Film-Fetischisten« hatten die Blöd-Blätter geschmiert und damit die Realität wohl wie üblich total verfälscht, wie Braig jetzt urteilte.
»Was wollten Sie denn mit dem ganzen Zeug?«, fragte er nach einem kurzen Blick in den Karton.
Hessle traute sich nicht zu antworten. Seine Frau stand wie eine Rachegöttin neben ihm, schubste ihn mit ihren kräftigen Armen auf das gestohlene Vorratslager.
»Die geilen Böcke«, schimpfte sie, »Herrenabende nennen die das. Glotzen das Zeug an und dann treiben sie es mit diesen Gummipuppen. Pfui Teufel!« Sie versetzte ihm einen Schlag mit ihrer Handkante.
Hessle schrie auf, beschwerte sich. »Mein Gott, war doch nicht so gemeint«, jammerte er.
Sie strafte ihn mit einem verachtungsvollen Blick.
Braig informierte die Kollegen vom örtlichen Revier, bat sie, einen Beamten in die Wohnung zu schicken, um alles aufzunehmen, gab den Namen und die Adresse des Komplizen an.
»Und jetzt?« heulte Hessle. »Ich verliere meinen Job, wenn ich in den Bau muss.« Der Mann war völlig demoralisiert. »Und meine Frau …«
»Ich sollte mich scheiden lassen«, unterbrach sie ihn.
Braig spürte, dass der wohl kaum in den Tod seines Arbeitskollegen verwickelt war. »Ich werde auf jeden Fall ein gutes Wort für Sie einlegen. Sie waren absolut ehrlich, haben alles von selbst offenbart. Vielleicht geht es mit Bewährung ab, ich weiß es nicht.«
Hessle war in den dunklen Ledersessel versunken, der am Kopfende des Wohnzimmertisches stand.
»Scheiße«, schimpfte er vor sich hin, »totale Scheiße.«
Braig durfte nicht vergessen, an seinen eigentlichen Besuchszweck zu denken.
»Wann haben Sie Jonas Altmaier zum letzten Mal gesehen?«
»Jonas?«
»Ihr Arbeitskollege, ja?«
»Klar. Wir sind zur Zeit in Echterdingen in einem Altbau. Neue Zentralheizung einbauen, wissen Sie.«
»Wann sahen Sie ihn zum letzten Mal?«
Rainer Hessle überlegte. »Na, wann schon. Am Freitag, als wir unsere Geräte bei der alten Löser ablieferten.«
»Ihre Chefin?«
Der Mann nickte. »Freitag, kurz vor halb fünf etwa.«
»Sie waren zu dritt?«
»Ja, Peter Wohlfarth noch. Wir arbeiten im Team.«
»Danach haben Sie Altmaier nicht mehr gesehen?«
»Nein, wieso sollte ich? Privat haben wir nicht viel miteinander. Fragen Sie meine Frau.«
Frau Hessle bestätigte seine Aussage. »Von dem Altmaier soll er mir die Hände weglassen. Ist schon schlimm genug, dass er in der Firma ständig mit dem zusammenhängt. Der rennt doch jedem Rockzipfel hinterher, hat eine nach der anderen. Da ist es mir lieber, wenn das Rindvieh hier in diesen Dreckladen rennt und sich an Gummipuppen vergeht.« Sie stieß ihren Mann noch weiter von sich weg, lief ans Fenster. Die Sonne
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