Schwaben-Messe
beleuchtete die waldigen Kuppen der gegenüberliegenden Berge. Mitten im Tal flitzte eine orangerote S-Bahn.
»Sie wissen nicht zufällig, was Altmaier am Freitagabend vorhatte? Ich meine, wenn man so den ganzen Tag, die ganze Woche über zusammen arbeitet, erzählt man sich doch auch Privates.«
»Was wohl schon«, zischte die Frau, »Autos, Saufen, Gummipuppen.«
Rainer Hessle fühlte sich sichtbar unwohl. »Ja, jetzt tu doch nicht so«, wehrte er sich. Er wandte seinen Blick zu Braig. »Klar reden wir. Über Gott und die Welt. Vom Lottospielen und so. Welche Zahlen. Manchmal tippen wir zusammen.«
»Pff. Lauter Nullen. Bestenfalls mal nen Einser oder Zweier. Ihr Pfeifen«, zischte die Frau vom Fenster her.
»Ich rede vom vergangenen Freitag«, erinnerte Braig, »was plante er für den Abend?«
Hessle kratzte sich in den Haaren, überlegte. »Wenn ich recht erinnere, wollte er wieder zu seiner neuen Tussi. Er fuhr total ab auf die, schwärmte den halben Tag von ihr. Irgendein steinreiches Weib, Kohle, Kohle und nochmal Kohle.«
»Sie wissen keinen Namen?«
»Jasi.«
»Jasi?«
»So schwärmte er immer. Seine Jasi! Mehr weiß ich nicht. Leider.«
»Nachname?«
Hessle verzog sein Gesicht, zuckte mit der Schulter. »Tut mir leid. Er tat immer sehr geheimnisvoll.«
»Wo sie wohnt?«
»Keine Ahnung. Wirklich.«
»Ob Ihr Kollege mehr über die Frau weiß?« Braig schaute auf das Blatt, auf dem er sich den Namen und die Adresse des dritten Heizungsbauers notiert hatte.
»Peter? Fragen Sie ihn. Er ist öfter mit Jonas zusammen. Vielleicht hat er mehr Ahnung. Aber heute hat es keinen Sinn. Peter ist am Bodensee.«
Braig beschloss dennoch dort anzurufen, wartete nur noch auf den Kollegen, der sich um den Überfall auf den Sex-Shop kümmern sollte. »Wie war das in Echterdingen? Waren Sie die ganze Zeit mit Altmaier zusammen oder war der mal weg?«
»Auf der Baustelle?«
»Ja. In der Zeit, in der Sie in Echterdingen tätig waren.«
»Das sind erst drei Tage. Was sollen wir dort schon machen? Morgens kommen wir an, dann Maloche, Maloche, Maloche, kurze Mittagspause, dann wieder Maloche, Maloche, Maloche, und abends fahren wir zurück.«
»Alle zusammen?«
»Na klar. Das geht nicht allein. Was glauben Sie, wie schwer das Zeug ist, wenn wir es hochschleppen. Und die Abstimmung, wie wir durch die Wände und die Decken kommen, das läuft nur im Team.«
»Dann hatte Altmaier keine Gelegenheit, in Echterdingen jemanden zu treffen?«
»Unmöglich. Wir fuhren zusammen hin und abends wieder zurück. Jeden Tag. Ich wüsste nicht, wie er das gemacht haben soll.«
Braig war es ein Rätsel. Die Arbeitsstelle in Echterdingen konnte doch kein Zufall sein. Sie musste mit dem Fundort der Leiche in Verbindung stehen. Fragte sich nur, wie. »Vielleicht haben Sie es nicht bemerkt, dass er weg war.«
»Nicht bemerkt. Sie sind gut. Dann war das sein Geist, der mit mir zusammen arbeitete?«
»Und in der Mittagspause?«
»Quatsch. Da sitzen wir doch zusammen und essen unser Zeug. Nein, er war nicht weg. Fragen Sie Peter.«
Braig überlegte fieberhaft. Drei Tage arbeiteten die Männer in Echterdingen, nicht weit von der Stelle, wo Altmaier am Morgen nach dem letzten Arbeitstag tot aufgefunden wurde. Aber er blieb nicht dort, sondern fuhr jeden Abend mit den Kollegen wieder zurück. Wieso lag seine Leiche dann dort? »Seine neue Freundin, die mit dem vielen Geld, wohnt nicht zufällig in Echterdingen?«
Hessle zuckte mit der Schulter. »Keine Ahnung. Ich sagte es Ihnen doch schon. Ich weiß es nicht. Was ist mit Jonas? Was wollen Sie von ihm?«
Braig hatte eigentlich keine Lust, die Leute in die Realität einzuweihen. »Ihn hat es erwischt«, sagte er zögernd.
»Wie erwischt?« Frau Hessle fixierte ihn mit strengem Blick. »Was bedeutet das?« Der sanfte Gong ertönte.
»Mach auf«, brummte die Frau, »ist eh für dich.«
Rainer Hessle erhob sich schwerfällig aus dem Sessel, schlurfte in die Diele.
»Sie werden es noch früh genug erfahren«, sagte Braig. Er war froh, dass der Kollege ihn ablöste. Hessle hatte mit dem Tod Altmaiers nichts zu tun, dafür legte er seine Hand ins Feuer. Der Mann hatte zwar einen, vielleicht sogar mehrere Überfälle begangen, aber ein brutaler Mord, wie er an Jonas Altmaier verübt worden war, gehörte in eine andere Kategorie. Braig musste sich schon gewaltig täuschen, wenn da doch ein Zusammenhang bestand. Es war sinnvoller, jetzt andere Spuren zu verfolgen.
12.
Peter Wohlfarth,
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