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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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genießen. Seiner Mutter galten alle aus Amerika übernommenen Produkte als ›Ami-Dreck‹ und waren somit generell verpönt. Da es der alleinerziehenden Frau zudem an Geld für solch ›unnützes Zeug‹ fehlte, konnte er seine Gelüste nach dem verlockenden Rechteck nur selten befriedigen.
    Otto Schmidt hatte, so absurd das auch klang, verblüffend viel Ähnlichkeit mit diesem Eis am Stiel, trug er doch, seinen auffälligen Körperbau damit betonend, seine Haare so kurz, dass sie an der Seite des Schädels abrupt endeten. Braig dachte darüber nach, wie sehr der Mann als Kind und Heranwachsender seiner urigen Kopfform wegen wohl von den Gleichaltrigen gehänselt worden war. Ob er aus verletztem Stolz so viel beruflichen Ehrgeiz entwickelt hatte? Statt einem Napoleon- ein Eis-am-Stiel-Komplex?
    »Alles von mir selbst aufgebaut«, wiederholte der Mann gerade, Braig wusste nicht mehr, zum wie vielten Male, »nicht dass Sie glauben, mir wäre alles von meinem Vater in den Schoß gelegt worden.«
    Schmidt trug eine vornehme dunkelgrüne Tweedjacke, unter der ein strahlend weißes Hemd hervorlugte. Er präsentierte sich voll und ganz als der erfolgreiche Geschäftsmann, der sich voller Dynamik seinen beruflichen Aufstieg erkämpft hatte. Nichts war ihm anzumerken von den Ereignissen der Nacht, nichts von der Angst und den Qualen der erst wenige Stunden zuvor beendeten Entführung.
    Braig erfuhr, dass der Mann siebenundzwanzig Arbeiter beschäftigte, die alle gut bezahlt, mit sozialen Zusatzvergünstigungen belohnt und Tag und Nacht von ihm fürstlich umsorgt wurden. Sofern dem Land längere rote und rot-grüne Regierungsabenteuer erspart blieben, verbürgte sich Schmidt, seine Leute bis auf den letzten Mann bis zur Verrentung zu behalten und ihnen auch im Krankheitsfall keinen Stuhl vor die Tür zu stellen. Gewerkschaften und ähnliche Saboteure wirtschaftlichen Erfolgs waren bei ihm allerdings fehl am Platz.
    »Mir geht es mehr um die Ereignisse heute Nacht«, unterbrach Braig Schmidts Ausführungen. »Können Sie sich erklären, wer hinter Ihrer Entführung steckt?«
    Otto Schmidt sah ihn überrascht an. »Ob ich mir das erklären kann? Das ist doch wohl eher Ihre Aufgabe, Herr Kommissar.« Der Tadel in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    »Richtig. Aber ich benötige Ihre Hilfe. Sie wurden entführt heute Nacht, nicht ich. Also kennen Sie die Einzelheiten, den Ablauf, die Stimmen der Täter, vielleicht sogar ihr Aussehen, nicht ich.«
    Schmidt führte sie in einen Raum, der das Wohnzimmer sein konnte, mit Sofa, Sesseln, Getränkebord und moderner Schrankwand. Als er ihnen Getränke anbot, ließ Braig sich ein Mineralwasser geben.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen nicht mehr zur Verfügung stellen kann, aber meine Frau muss sich um unsere Arbeiter kümmern, solange ich bei Ihnen bin. Wir haben wichtige Aufträge zurzeit, es darf nichts schiefgehen ... Sie glauben nicht, wie schnell die Leute schludern, sobald sie sich unbeobachtet fühlen. Ohne starke Hand läuft bei uns nichts, aber das werden Sie wohl kennen.«
    Braig nickte zustimmend, um sich das Wohlwollen des Mannes zu sichern. Gübler würde sich freuen, Eis am Stiel kennenzulernen, dachte er. Die beiden könnten sich stundenlang unterhalten, indem jeder seine eigene Schallplatte laufen ließ. Stundenlang.
    »Also, Sie wollen wissen, wie das heute Nacht war.« Otto Schmidt ließ sich schwer in den Sessel fallen. Das Leder knirschte, der Sessel rutschte mehrere Zentimeter übers Parkett. »Am liebsten – ich sage es Ihnen ganz offen – würde ich die Sache selbst regeln. Hier, mit meinen eigenen Händen.« Demonstrativ rieb er sich die Hände und schlug dann auf die Armlehnen. »Leider fehlt mir die Zeit.«
    Braig sah ihn mit großen Augen an. »Wie soll ich das verstehen?«
    »Zu viele Aufträge im Moment«, erklärte der Unternehmer. »Wichtige Auftraggeber. Ich kann es mir nicht leisten, sie zu verlieren, verstehen Sie. Meine Fürsorgepflicht für meine Arbeiter. Immerhin siebenundzwanzig Leute! Und nächstes Jahr wieder ein Lehrling. Wenn das nicht wäre, dann ...«
    »Gibt es ein Motiv?«, unterbrach Braig Schmidts Redefluß. »Irgendjemanden, den Sie verdächtigen?«
    Otto Schmidt lachte laut. »Guter Kommissar! Wenn ich jemanden verdächtigte, wären Sie hier garantiert überflüssig. Bei mir arbeiten siebenundzwanzig Leute, wissen Sie, die für mich ebenso zu allem bereit sind wie ich für sie. Und ich zähle allein für zwei, immer noch.

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