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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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von einer schmalen Glasvitrine flankiert wurde.
    »Nehmen Sie bitte Platz, einen Moment«, bat die junge Frau.
    Als Braig sich auf die Eckbank setzte, sah er die kleine Katze um die Ecke streichen. Schnurrend drückte sie sich an sein Bein. Er nahm sie hoch, legte sie auf seinen Schoß, streichelte sie.
    Draußen vor den Fenstern wuchsen Fuchsien, kleine Buschrosen und violette Petunien. Er betrachtete die Umgebung, sah die Hügel und Berge und die Dächer der Nachbardörfer. Als er sich einige Zentimeter vorbeugte, blickte er direkt auf den Friedhof und die Bundesstraße, die keine fünfhundert Meter entfernt waren. Er erkannte die Eingangspforte, die winzige Kapelle am Rand der Grabreihen, die Büsche an beiden Enden der Begräbnisstätte, wo die Männer festgebunden worden waren.
    »So, hier bin ich«, vernahm er die Stimme wieder.
    Sie sah noch reizender aus. Das dunkle Jackett, das einen angenehmen Kontrast zu ihrem hellen Kleid bildete, gab ihr einen Anflug von Seriosität.
    »Sie sind fremd hier?«
    Er stand auf, legte die Katze neben sich auf die Bank. Sie reckte und streckte sich mit allen vieren und kuschelte sich dann der Länge nach an die Rücklehne.
    »Das ist wohl kaum zu übersehen.« Das Sprechen fiel ihm schwer.
    »Lauberg und seine Nachbardörfer sind noch relativ klein. Wir kennen uns hier, mit Ausnahme der gerade zugezogenen Bewohner des Neubaugebietes. Sommer ist mein Name, ich bin die Pfarrerin.«
    Braig sah sie mit großen Augen an, die Überraschung war ihm ins Gesicht geschrieben. »Entschuldigen Sie«, stammelte er, »ich konnte nicht wissen ...«
    »Kein Grund zur Panik. Wenn Sie nicht hartnäckig darauf bestehen, unbedingt einen Pfarrer männlichen Geschlechts serviert zu bekommen ...«
    »Ich finde, die Leute in Lauberg sind zu beneiden«, schnurrte Braig.
    »Oder auch nicht. Viele tun sich schwer damit. Die Tradition erlaubt es ihnen nicht, ihr Herz bei einer Pfarrerin auszuschütten. Was bei einem männlichen Seelsorger selbstverständlich wäre, wird bei mir manchmal zum Problem. Und dann noch die Angst vor der männermordenden Emanze im Talar. Aber nehmen Sie doch wieder Platz.«
    Nachdem sie sich einander gegenüber an den Tisch gesetzt hatten, zog er seinen Dienstausweis. »Steffen Braig, ich komme vom Landeskriminalamt.«
    »Oh. Dann suchen Sie wohl nicht den Pfarrer, um Ihre Sorgen bei ihm loszuwerden, wie?«
    Er schüttelte den Kopf, nahm die Karte wieder an sich. »Sie können sich denken, worum es geht?«
    »Das ganze Dorf hat nur noch ein Thema. Und im Radio soll es auch schon gekommen sein.«
    »Wann haben Sie davon erfahren?«
    »Ich?« Sie sah ihn überrascht an, wischte sich die Haare von der Stirn. »Wieso interessieren Sie sich für mich?«
    Es fiel ihm schwer, sich amtlich zu geben. Ihre Verlegenheit, ausgelöst durch seine Fragen, ließ sie noch anmutiger erscheinen. Ihr Gesicht überzog sich mit einem zarten Hellrosa, das ihre blaugrauen Augen noch besser zur Geltung brachte. Sie war dezent geschminkt und höchstens so alt wie er, um die dreißig, eine bezaubernde, selbstbewusste Erscheinung. Nicht die Tochter des Pfarrers, wie er vermutet hatte, sondern die Inhaberin der Pfarrstelle selbst. Ob sie wohl jeden Sonntag hier in der kleinen Kirche auf der Kanzel stand? Er musste sich zusammenreißen, um bei seiner dienstlichen Pflicht zu bleiben.
    »Der Ausblick«, erklärte er, »von hier oben.«
    »Der Ausblick?«
    »Auf den Tatort. Dort unten.« Er deutete aus dem Fenster in Richtung Friedhof.
    »Ach so, ja. Das Pfarrhaus liegt sehr schön. Bis auf die Bundesstraße.«
    Sie öffnete einen Flügel des Fensters, vor dem sie saß, und er begriff, was sie meinte. Das Heulen der Motoren dröhnte laut in den Raum hinein.
    »So idyllisch es scheint, ohne Isolierglasfenster können Sie hier nicht arbeiten. Trotz der Entfernung.«
    »Dann haben Sie nichts bemerkt heute Nacht?«
    Frau Sommer schloss das Fenster. »Von hier oben, meinen Sie?«
    »Wäre sicher ein Zufall, das gebe ich gerne zu, aber immerhin standen die beiden Männer die ganze Nacht dort.«
    »Tut mir leid. Sie haben sicher die Vorstellung, als Pfarrerin in dem kleinen Dorf schiebt die eine ruhige Kugel, also kann sie abends gemütlich in die Umgebung schauen. Ich muss Sie enttäuschen, aber ich berichte Ihnen gern von meinen Aktivitäten, wenn Sie die Zeit und das Interesse dafür haben.«
    »Sie haben mich falsch verstanden. Es war nie meine Absicht, Ihre Arbeit infrage zu stellen. Ich suche nach den Tätern,

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