Schwaben-Rache
gelöst? Hätte ich Ihnen diesen tüchtigen Mann nicht mitgegeben, was hätten Sie jetzt zu berichten? Wenn Sie mir in zehn Minuten nicht persönlich signalisieren, dass Sie diesen Kerl, wie heißt er gleich wieder, Sie wissen schon, verhaftet haben, lasse ich Sie festnehmen, ist das klar?«
Braig ersparte sich die Antwort, steckte das Handy weg, lief mit schnellen Schritten zu Stöhr.
»Herr Kahn scheint hier zu leben«, meldete dieser.
»Prima, haben Sie geläutet?«
Der Kriminalmeister holte das Versäumnis nach. Prompt wurde das Fenster über der Haustür geöffnet, eine Frau schaute sie fragend an.
»Braig vom Landeskriminalamt, das ist mein Kollege Stöhr, könnten wir bitte Herrn Kahn sprechen?«
Die Frau nickte, verschwand. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis die Tür geöffnet und sie ins Haus gebeten wurden.
»Kahn«, stellte sich der Mann vor, »Sie wollen zu mir?«
»Wir hätten ein paar Fragen.«
Braig zeigte seinen Ausweis, stellte sich und seinen Kollegen nochmals vor. Kahn führte sie die Treppe hoch in einen kleinen Raum, der nur einen runden Tisch samt vier Stühlen sowie eine Glasvitrine mit allerhand Gläsern enthielt.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
Braig lehnte ab, weil er nicht viel Zeit verlieren wollte. Sie nahmen rings um den runden Tisch Platz.
Walter Kahn war ein kräftiger, durchtrainierter Mann Mitte vierzig mit kurzen blonden Haaren, rosigen Backen und einem leichten Grinsen im Gesicht.
»Ich wollte Sie nach Ihrem Verhältnis zu Herrn Schmidt fragen. Sie waren bis vor Kurzem sein Angestellter?«
Kahn nickte.
»Wieso wurden Sie entlassen?«
Kahn schilderte den Vorgang genau so, wie Braig es von der Pfarrerin gehört hatte.
»Aber Sie klagen dagegen vor Gericht.«
»Allein um des Prinzips willen. Obwohl es schwierig wird. Offiziell habe ich interne geschäftliche Vorgänge veröffentlicht.«
»Und inoffiziell?«
»Schmidt stört sich daran, dass ich in der Initiative gegen den vierspurigen Neubau der Bundesstraße mitarbeite. Sein Parteifreund Bofinger drängt ihn wohl dazu.«
»Bofinger?«
»Der zweite Neureiche in Lauberg. Er hat ein Straßenbauunternehmen. Was glauben Sie, was der an dem Neubau verdienen wird. Da geht es um Millionen. Schmidt ist in der Pflicht als Parteimitglied und Gemeinderat. Und dann noch seine krummen Geschäfte ...«
»Krumme Geschäfte?«, hakte Braig nach.
»Sie sind von der Polizei. Ich will nicht darüber reden, solange mein Prozess läuft. Aber ich bin nicht der Einzige, der – sage ich mal vorsichtig – einiges vermutet. Ich denke, Bofinger weiß ebenfalls Bescheid. Vielleicht erpresst er ihn, damit Schmidt auf jeden Fall bei der Stange bleibt.«
»Was für krumme Geschäfte? Sie wissen, wer Informationen über eine Straftat zurückhält ...«
»Ich rede ausdrücklich von Vermutungen«, betonte Kahn.
»Sie sollen Herrn Schmidt Rache angedroht haben.«
»Ich ihm? Oder er mir?«
»Wollten Sie sich heute Nacht für die Entlassung rächen?«
Walter Kahn schüttelte den Kopf.
»Sie haben ein Alibi?« Braig betrachtete aufmerksam das Gesicht und die Gebärden des Mannes. Er war sich unsicher in seiner Beurteilung.
»Ich habe damit nichts zu tun. Wir waren gestern Abend beim Treffen unserer Bürgerinitiative. Bis zehn etwa oder halb elf. Genau kann ich es nicht sagen, fragen Sie meine Frau.«
»Sie war dabei?«
Kahn nickte, erhob sich, öffnete die Tür. Braig hörte ihn mit seiner Frau sprechen.
Wenn er wirklich bis halb elf unterwegs gewesen war, wurde es knapp mit der Zeit. Kessel musste gegen halb elf entführt worden sein, Schmidt etwas über eine Stunde später.
»Sie meint, es war schon kurz nach elf«, erklärte Kahn, nachdem er wieder ins Zimmer getreten war. Er sah Braig offen in die Augen.
»Kurz nach elf? So spät?« Braig atmete tief durch. Erst gegen zehn, halb elf, dann auf einmal kurz nach elf. Wenn das kein abgekartetes Spiel war. Wenn sie wirklich erst gegen elf nach Hause gekommen waren, schieden sie aus dem Täterkreis aus. Es sei denn, sie waren frisch vom Tatort gekommen ...
»Wieso plötzlich nach elf?«
»Ganz einfach«, erklärte Kahn, »weil Vera etwa um halb elf von ihrem Jugendclub zurückgekommen ist und wir noch miteinander gesprochen haben.«
»Vera?«
»Frau Sommer, unsere Pfarrerin.«
Braigs Augen weiteten sich. »Frau Sommer? Was hat die damit zu tun?«
»Sie arbeitet in unserer Initiative mit und stellt uns das Pfarrhaus für unsere Treffen zur Verfügung. Sie kennen sie nicht?
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