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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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bockig? Habe ich Ihnen etwas getan?«
    Die Frau blieb abrupt stehen. »Höret Sie, junger Mann.«
    Braig erinnerte sich voller Unbehagen an Gübler. Wer sonst sprach ihn so an?
    »Hier in Lauberg, in Backnang und Umgebung sind die Zustände wie sonst auch im Land – wie überall.« Sie machte eine Pause, kramte in einer Tasche ihrer weiten Schlabberhose, zog eine kleine Flasche Kümmerling vor. »Darf ich Ihnen eine anbieten?«
    Braig wunderte sich, wie dialektfrei sie plötzlich sprach, nahm ihr Angebot an. Vielleicht hilft's, dachte er. In der Not frisst der Teufel Fliegen, säuft der Kripokommissar bittere Galle.
    »Sie?«, fragte die Frau, Kriminalmeister Stöhr im Blick. Diesmal holte sie sich eine Absage.
    Sie zauberte eine zweite Flasche aus ihrer Tasche vor und prostete Braig zu. Das Zeug schmeckte nicht einmal so schlecht. Besser als nichts. Kümmerling statt Mittagessen und Kaffee, dachte er.
    »Die Großen bestimmen, was läuft, die anderen haben zu kuschen. Und wer es wagt aufzumucken, wird schnell runtergebürstet, bis die Welt wieder in Ordnung ist. Hier bei uns wie sonst überall auch.«
    Ihre langen grauen Haare glänzten im Licht der Sonne, als sie sie mit ihren Fingern durchkämmte. Braig spürte instinktiv, dass er keinen einfältigen Menschen vor sich hatte, auch wenn ihre Sätze nach plumpen Plattitüden klangen.
    »Ich fürchte, Sie wissen genau, warum Sie so pessimistisch sind«, sagte er, »mich würde interessieren, welche Erfahrung Sie dazu veranlasst – vielleicht hilft es uns weiter.«
    »Sie sind ein guter Diplomat«, meinte die Frau und trank die kleine Flasche mit zwei Schlucken leer, »wie unser Bofinger und der Schmidt.«
    Sie hatten eine baufällige Bank am Rand des Neubaugebiets erreicht, setzten sich hin.
    »Und Sie sind immer ehrlich«, provozierte er sie.
    »Ehrliche Leute machen sich generell unbeliebt, weil sie andere vor den Kopf stoßen. Diplomaten heucheln sich an die Spitze.«
    »Dann sind Sie im Dorf nicht allzu gern gesehen, falls Sie von hier stammen.«
    »Richtig. Doppelter Treffer. Ich habe Zeit meines Lebens nicht gearbeitet, nur gefaulenzt, mich vergnügt, Klavier gespielt, die Jahre verplempert, wenn Sie die Leute fragen. Hören Sie also nicht auf mich!«
    »Warum waren Sie bei dem Wochenendhaus des Herrn Bofinger? Sind Sie so neugierig?«
    »Weil ich mich daran ergötzen wollte, wie seine Hütte voll Scheiße steht. Gebaut im Landschaftsschutzgebiet, schwarz, dann im Nachhinein vom Gemeinderat als legal abgesegnet.«
    »Geschmiert?«, überlegte Braig laut.
    Die Frau nickte. »Mit Steuergeldern. Ein cleverer Gewinner. Seine Maschinen walzen eine Straße nach der anderen in die Landschaft, um seinen Beutel zu füllen und seine Macht auszuweiten. Er ist nicht knauserig, wirklich nicht, im Gegenteil. Er ist viel zu schlau dafür. Mindestens ein Drittel seines Gewinns fließt in fremde Taschen, in die richtigen, und schon steht der nächste Auftrag auf dem Papier, ob die Asphaltwalze gebraucht wird oder nicht. Unterschrieben. Und wenn die gesamte Region unter Teer und Beton erstickt, gießt er eine neue Schicht darüber. Bofinger bekommt die Aufträge, garantiert.«
    »Auch für die neue Bundesstraße?«
    »Sie fragen noch?«
    Die Frau schaute in die Landschaft. Vor ihnen lagen die parkähnlichen Gärten, von dichtem grünen Buschwerk eingefasst, dahinter erhob sich ein üppig bewaldeter Berg. Irgendwo im Tal dazwischen verlief die Bahnlinie, auf der ab und an Züge vorbeiglitten. Braig fühlte sich an die Grafschaften des südlichen England erinnert.
    »Es sei denn, der Kessel läuft vollends Amok«, erklärte sie unvermittelt.
    Erstaunt sah Braig die Frau an. »Was hat der damit zu tun?«
    »Mehr als Sie glauben. Dass er ihm heute das Haus zerstört hat, schmerzt den Bofinger zwar nicht sonderlich ...«
    »Woher wissen Sie, dass die Tat von Herrn Kessel begangen wurde?«
    »Weil er es war.«
    »Das ist eine schlimme Beschuldigung. Schließlich können wir den Mann festnehmen, wenn Sie bei Ihrer Aussage bleiben.«
    »Sie werden Kessel nicht festnehmen.«
    »Sie ziehen Ihre Aussage zurück?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich? Wieso? Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie Kessel mit seinem Jauchewagen vor der Hütte stand und die Scheiße ins Innere gepumpt hat. Dort oben, auf dem Hügel, sehen Sie«, sie zeigte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, »die Bank. Ich sitze oft dort, trinke, lese, meditiere. Plötzlich kommt Kessel mit seiner

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