Schwaben-Rache
Zeit.«
18. Kapitel
Das Fahrzeug war eine großräumige, japanische Limousine, sicher genauso viel wert wie ein teurer Mercedes oder BMW, seiner Seltenheit wegen aber weit exklusiver – irgendein Honda, Toyota oder Mazda, Braig hatte da keine große Ahnung. Er war dem Wagen sofort gefolgt, hatte Stöhr zurückgelassen mit dem Auftrag, Name und Anschrift der unkonventionellen Interviewpartnerin zu ermitteln.
Der Mann mit dem grauen Zweireiher stand vor dem niedergewalzten Zaun, blickte auf Haus und Rasen. Er war nicht besonders groß, vielleicht einen Meter siebzig, mit seiner ausgewählten Kleidung dennoch eine auffallende, fast beeindruckende Erscheinung.
Aus allem sprachen Geld, Selbstbewusstsein und Einfluss: wie er sich bewegte, die Leute um sich herum musterte, die Verwüstung seines Anwesens betrachtete. Gelassen, fast unbeteiligt stand er da, wie ein Zuschauer, der einem Straßenmusikanten im Vorübergehen einen Blick zuwirft.
Braig lief geradewegs auf den Mann zu, wobei er versuchte, nicht in die Jaucheansammlungen auf dem Weg zu treten. Die Leute standen im Halbkreis um den neu angekommenen Besitzer, jeder auf Abstand bedacht, die meisten mit neugierigen, nur wenige mit hämischen, von Schadenfreude geprägten Gesichtern.
»Herr Bofinger«, begann Braig, der sogleich seinen Ausweis hervorzog, »mein Name ist Braig. Ich komme vom Landeskriminalamt.«
»Ja?«
Der Mann drehte sich zu ihm um. Er hatte ein offenes, ehrliches Gesicht, war sauber rasiert, durch und durch gepflegt. Die Haare dunkel und trotz seines Alters von – wie Braig schätzte – mindestens fünfzig, eher fünfundfünfzig Jahren ohne eine einzige graue Strähne. Braig wagte nicht, daran zu denken, dass der Mann seine Haare färbte; die ganze Erscheinung wirkte zu gepflegt, zu gediegen, als dass es ihm erlaubt schien, solche Überlegungen überhaupt anzustellen. Die Augen waren blau, wasserblau, wie im Bilderbuch, die Nase und der Mund fein, die Haut gepflegt.
Dies sollte der Täter oder zumindest der Auftraggeber für die Verbrechen der letzten Nacht sein?
»Ist das Ihr Haus?«
Bofinger nickte, sah sich langsam die immer noch im Halbkreis verharrenden Leute der Reihe nach an.
»Wir werden die Ermittlungen sofort aufnehmen«, erklärte Braig, »haben Sie einen Verdacht?«
»Ermittlungen?«, fragte der Mann. »Von welchen Ermittlungen sprechen Sie?«
»Die Zerstörung hier, der Einbruch, die Verschmutzung.«
»Habe ich etwa Anzeige erstattet?« Sein Blick richtete sich direkt auf Braig. Die Augen wurden durchdringend, der ganze Gesichtsausdruck gereizt.
»Ich nehme an, es ist in Ihrem Interesse.«
»Sie lassen die Hände davon«, erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch gestattete, »es ist meine Privatsache. Wenn Sie sich in irgendeiner Weise einmischen, übergebe ich die Angelegenheit meinem Rechtsanwalt. Hier ist seine Adresse. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an ihn.«
Er reichte Braig eine Visitenkarte, lief dann zu seinem Wagen. Braig war so überrascht, dass er Bofinger erst wieder erreichte, als dieser schon Platz genommen hatte.
»Moment bitte. Ich glaube, Sie schätzen Ihre Lage falsch ein. Ich bin hier, weil ich von Ihnen eine Auskunft benötige bezüglich der Ereignisse heute Nacht. Ich bitte Sie dringend, mir zu antworten.«
Bofinger blickte gereizt aus seiner Limousine. »Es muss schnell gehen, ich habe nicht viel Zeit.«
»Kennen Sie diesen Mann?« Braig reichte ihm das zerknitterte Fahndungsfoto.
»Warum?«
»Wir suchen den Mann im Zusammenhang mit der Entführung von Herrn Breuninger im Wagenburgtunnel in Stuttgart.«
Bofingers Gesichtsausdruck verlor an Spannung. »Sie suchen ihn?«, fragte er mit deutlicher Neugier.
»Er ist verdächtig, an der Entführung beteiligt gewesen zu sein.«
»Verdächtig.« Bofinger lachte plötzlich laut los. »Verdächtig. Das ist gut!« Er lachte, trommelte auf das Lenkrad. »Das ist wirklich gut!«
»Sie kennen ihn?«
Sein Lachen nahm kein Ende.
»Herr Bofinger, kennen Sie den Mann?«
Er beruhigte sich ebenso schnell wieder, wie er aus der Fassung geraten war. »Wenn der Mann an der Entführung beteiligt war, fresse ich zehn Besen gleichzeitig. Zehn, hören Sie?«
Braig sah ihn ungläubig an. »Wie heißt er?«
»Keine Ahnung.«
»Herr Bofinger, bitte!«
»Haben Sie weitere Fragen? Ich gebe Ihnen drei Minuten.«
Braig spürte Wut in sich hochkommen. »So nicht, Bursche«, dachte er, »mit mir nicht. Die Arroganz der Macht: ohne
Weitere Kostenlose Bücher