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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Fuhre, von Weitem schon zu hören. Es war ein Schauspiel, wie im Theater. Gleich unter mir.«
    »Also. Dann ist doch alles klar.« Braig schaute die Frau fragend an.
    »Überhaupt nicht«, erwiderte sie. »Sie werden den Kessel nicht festnehmen, nicht verhaften, ihn nicht mal verhören. Das garantiere ich.«
    »Sie überschätzen sich wohl etwas.«
    »Bofinger wird keine Anzeige erstatten. Hundertprozent!«
    »Keine Anzeige?«
    »Unter feinen Leuten werden solche Lappalien anders geregelt. Es geht um ganz andere Beträge als das Herrichten dieser popeligen Wochenendhütte, verstehen Sie? Was glauben Sie, was die neue vierspurige Bundesstraße bringt! Die Verwüstung der Hütte war nur ein kleiner Betriebsunfall, sonst nichts. Ist bald bereinigt, unter Ehrenmännern.«
    Braig sah unten im Tal einen langen Zug vorbeigleiten, folgte ihm mit den Augen. »Warum hat Herr Kessel das Gebäude zerstört?«
    »Für heute Nacht. Kleiner Revancheakt. Schwaben-Rache. Er hat die Schnauze voll, will nicht mehr länger für Bofinger den Arsch spielen. Der machte ihm heute Nacht klar, dass es so nicht läuft, aber Kessel schlägt noch mal zurück. Wie Sie selbst gesehen haben.«
    »Noch mal?«
    Die Frau nickte, bückte sich zu einer der Taschen ihrer Hose nieder.
    »Ganz schön mutig von Kessel, nicht? Zweimal aufstehen gegen die Großkotzigen, das hat bisher noch keiner gewagt.«
    »Sie sind sich sicher, dass dieser Herr Bofinger hinter den Entführungen heute Nacht steht?«
    Sie zog eine dicke Zigarre aus der Tasche, erhob sich wieder. »Sie auch?«
    Braig und Stöhr lehnten ab.
    »Meine Diplomatie hat Grenzen, wie Sie sehen«, erklärte Braig.
    »Wer außer Bofinger sollte es gewesen sein?«, fragte die Frau.
    »Aber heute Nacht waren Sie nicht zufällig dabei?«, spottete Braig.
    »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich habe bei der Friedhofskapelle gesessen und zugeguckt. Wie jede Nacht.« Sie grinste über das ganze Gesicht. »Die waren an der Straße unten. Da gibt es keine Zuschauer. Jedenfalls keine freiwilligen.«
    »Ich verstehe aber immer noch nicht, warum dieser Bofinger den Kessel entführt haben soll«, beharrte Braig, »was hatte er für einen Grund?«
    »Oh je, wenn ich Ihnen das alles erzähle, sitzen wir morgen noch hier. Kessel hatte die erste klare Sekunde in seinem Leben: Er wollte nicht länger den Hampelmann spielen.«
    »Er war Bofinger stets zu Diensten?«
    »Bofinger und Konsorten. Als er dann aber – als Letzter oder Vorletzter im ganzen Dorf – darauf kam, dass Bofinger es mit seiner Frau trieb, rastete er aus.«
    »Mit seiner Frau?«, fragte Braig. »Der ersten oder der zweiten?«
    »Oh, Sie wissen Bescheid? Ich sehe, Sie sind über die Leute hier informiert, teilweise jedenfalls.« Die Frau lachte, steckte die Zigarre in Brand. »Mit seiner zweiten. Kessel war gerade mal zwei Jahre verheiratet, da machte sich Bofinger an die Frau ran. Ohne Kessels Wissen. Es ging mehrere Monate. Bofinger hat Geld, Kessel nicht. Bis der Mann es mitbekam, wusste es fast das ganze Dorf. So blamiert wurde selten einer.«
    »Kessel und seine Frau haben sich aber nicht getrennt.«
    »Kessel doch nicht. Der verzeiht alles.«
    »Bis auf die Hütte dort vorne.« Braig deutete nach rechts.
    »Ja, und seinen Leserbrief.«
    »Welchen Brief?«
    »Das war sein erster Schlag. Stille Wasser sind tief. Der hat jahrelang alles geschluckt, sich alles bieten lassen. Er machte den Lakaien, dienerte, spielte den Deppen. Bis er Bofinger auf die Schliche kam, dass der mit seiner eigenen Frau ... Das war der Funke am Pulverfass. Kessel explodierte. Wortwörtlich. Er traf den Bonzen an seiner verwundbarsten Stelle. Wie im Krieg. Deshalb hat Bofinger heute Nacht zurückgeschlagen. Er musste handeln, verstehen Sie, um allen zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Bofinger lässt nichts anbrennen, der garantiert nicht!«
    »Um was ging es bei dem Leserbrief?«
    »Oha, sind Sie neugierig!« Die Frau sog lachend an ihrer Zigarre, blickte in die Ferne. »Das trägt nicht zu Ihrem seelischen Wohlergehen bei.«
    Steffen Braig betrachtete sie irritiert. »Wie meinen Sie das?«
    »Übertriebenes Wissenwollen«, erklärte sie, »wenn Neugier zur Sucht wird, leidet der ganze Mensch darunter.«
    »Oh, Sie lieben es zu philosophieren.«
    »Wenn es zur Bereicherung unserer Lebensqualität beiträgt, immer.«
    »Leider ist es mein Beruf, neugierig zu sein«, wandte Braig ein, »ob ich privat will oder nicht.«
    »Gerade deswegen sollten Sie sich der Sucht

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