Schwaben-Wut
wurde laut. »Der akzeptiert nur sich, niemand sonst. Der Kerl duldet keine andere Person in seinem Umkreis. Höchstens seine Mutter, aber die nur zum Ausnehmen. Der ist bösartig, krankhaft eifersüchtig. Auf alles. Es hatte von Anfang an keinen Sinn. Kein Tag ohne neuen Ärger. Mal quälte er Mitschüler, mal schlug er mitten in der Stadt auf Hunde oder Katzen ein, verletzte oder tötete sie. Die Polizei kam alle paar Tage. Es war nicht zum Aushalten.«
»Sie hatten also von Anfang an kein gutes Verhältnis zu ihm?«
Eiding war die Erleichterung über die Frage deutlich anzusehen. Zu deutlich, überlegte Neundorf. Er ist kein guter Schauspieler.
»Wie denn? Er wollte nicht, verstehen Sie, es lag nicht an mir. Ich war damals, ich gebe es zu, in die Frau verschossen, mein Gott, so dämlich, wie man sich eben zeitweise verhält, und deshalb begegnete ich dem Jungen freundlich und offen und war bereit, ihn als ihren Sohn zu akzeptieren. Aber er wollte nicht, sabotierte unsere Beziehung Tag um Tag.«
»Wie alt war er damals?«
»Siebzehn. Zu seinem Geburtstag, es war vielleicht zwei Monate nach meinem Einzug, kaufte ich ihm eine schweineteure Horrormaske. Er war davon besessen, umarmte mich vor lauter Freude. Zwei Tage später hatte er die Dankbarkeit schon wieder vergessen.«
»Was für eine Horrormaske?«
»Irgendein Monster aus einer Fernsehserie. Er war total verrückt danach, ahmte die Figur ständig nach. Aber, wie gesagt, zwei Tage nach seinem Geburtstag war ich für ihn wieder Luft. Er sah mich nicht, hörte nicht, wenn ich mit ihm reden wollte. Als er begann, mir meine Sachen zu zerstören, wurde es mir zu bunt. Ich konnte nicht mehr. Und Monika, also seine Mutter, war ihm überhaupt nicht mehr gewachsen. Er machte, was er wollte.« Eiding winkte verächtlich ab.
Neundorf betrachtete ihn mit skeptischer Miene. »Was meinen Sie mit: Er zerstörte meine Sachen?«
Eiding sah unruhig zwischen den beiden Kommissaren und der Straße vor ihnen hin und her. »Meinen Rasierapparat. Nagelneu gekauft. Ich hatte meinen alten verlegt. Er warf ihn an die Wand, vor meinen Augen, ein Gerät für über 200 DM.«
»Warum? Es muss doch einen Grund dafür gegeben haben.«
»Einen Grund? Was für einen Grund denn? Der Kerl brauchte keinen Grund. Wenn er seine Anfälle hatte, war niemand vor ihm sicher.«
»Aber Sie ließen es sich doch sicher nicht gefallen. Er musste es von seinem Taschengeld zurückzahlen, oder?«
»Taschengeld?« Eiding kreischte so, dass es Neundorf und Beck in den Ohren schmerzte. »Wenn der Geld brauchte, lauerte er abends Passanten auf der Straße auf, schlug sie nieder und knallte die Geldscheine zu Hause demonstrativ vor mir auf den Tisch. Der Kerl ist ein Monster, verstehen Sie? Der holt sich, was er braucht. Wenn Sie ihn nicht bald wieder einfangen, richtet der ein Blutbad an. Gnade Gott, wer dem jetzt nach seinem Ausbruch in die Hände fällt!«
10. Kapitel
Der Mann stand fast bewegungslos am oberen Ende des Weinbergs und betrachtete mit seinem Fernglas die Umgebung. Benjamin Bartle bemerkte ihn erst, als er mit dem Schubkarren unmittelbar bei den ersten Rebstöcken angelangt war. Keuchend vor Anstrengung stellte er das schwere Ding ab. Ein fast bis zum Rand gefülltes Fass rutschte zur Seite, Wasser schwappte auf den staubtrockenen Boden.
Bartle atmete tief durch, wischte sich mit seinem T-Shirt den Schweiß von der Stirn. Obwohl es nicht einmal zehn Uhr am Morgen war, hatte die Luft fast schon tropische Grade erreicht. Er schwitzte. Südfrankreich Ende Juni eignete sich vielleicht zum Baden, auf keinen Fall für harte körperliche Arbeit.
Bartle fluchte laut vor sich hin, schaute über den Weinberg. Der Mann am anderen Ende stand keine fünfzig Meter von ihm entfernt, hielt sein Fernglas ungeniert auf ihn gerichtet. Er trug dunkle Hosen, eine unförmige beige Jacke mit langen Ärmeln, hatte kurze hellblonde Haare.
Bartle lief um den Schubkarren herum, tauchte seine rechte Hand ins Wasser, klatschte sich die erfrischende Flüssigkeit ins Gesicht. Der Mann folgte jeder seiner Bewegungen, die Augen hinter dem Fernglas verborgen.
Dämlicher Spanner, überlegte Bartle, hat nichts Besseres zu tun als hier am Arsch der Welt Leuten nachzugaffen, denen vor lauter Anstrengung die Brühe aus den Poren läuft.
Er beschloss, sich nicht provozieren zu lassen, wischte sich die Hände trocken, schob den Schubkarren ein Stück weiter den Weinberg hoch. Sofort schossen ihm neue Ströme von Schweiß
Weitere Kostenlose Bücher