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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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ohne Beine, teilweise gehäutet und in ihre Einzelteile zerlegt, dann in der Nacht eingegraben. Je nachdem, wie weit er kam in seinem Wahn. Mit Hunden hatte er nicht so viel Glück, die wehrten sich. Vier Dackel, mehr erwischte er anscheinend nicht. Einmal sah das Schwein völlig zerkratzt und zerbissen aus. Wir haben erst später verstanden, woher das kam.«
    »Wozu?« Braigs Lippen hatten die Frage geformt, ohne dass er es wollte.
    »Der ist wahnsinnig«, zischte der Mann, »verrückt. Ein Teufel.«
    »Tiere töten?«
    »Töten?? Quälen, foltern, zerstückeln. Lebendig, bei vollem Bewusstsein. Er zerhackte sie mit einem Beil, schlug ihnen die Beine ab, Teile des Schwanzes, riss ihnen die Haut vom Leib. Wissen Sie, wie die schrien?«
    Braig reagierte nicht, ließ den Mann mit angespanntem Gesicht reden.
    »Wir wachten mitten in der Nacht auf, meine Frau und ich, fast gleichzeitig. Es war ein grauenvolles Heulen. Irgendwo im Haus. Die Arme meiner Frau waren von Gänsehaut überzogen. Das hatte sie noch nie. Hörst du es? hauchte sie. Es war nicht zu überhören. Ein unbeschreibliches, intensives Jaulen. Es ging durch Mark und Bein. Minutenlang. Dazwischen Schläge, kurze kräftige Schläge und irrsinnige Schreie. Verzweiflungsschreie. Ich zitterte am ganzen Leib, verstehen Sie das? Ich lag im Bett und zitterte, war wie erstarrt. Tu doch was, bettelte meine Frau, warum machst du nichts? Das war nicht ihre Art. Sie hat keine Angst, greift selbst ein, wenn Not am Mann ist. In der Nacht bewegte sie sich keinen Zentimeter. Und ich? Ich lag im Bett und fühlte mich wie gelähmt. Kennen Sie den Ton?«
    Kühnle schüttelte den Kopf, gab selbst die Antwort. »Sie können ihn nicht kennen. Es ist wie im Schlachthof.« Er schnappte nach Luft, starrte mit großen Augen ins Leere.
    In Braig stiegen Bilder von Leichen auf, die er in der Pathologie hatte ansehen, deren Verwundungen er hatte überprüfen müssen.
    Braig drehte sich zur Seite, lief ein paar Schritte, atmete schwer. Er sah das bleiche Gesicht Söhnles, dem es offensichtlich nicht besser ging.
    Kühnle schnaufte tief, wischte sich über die Stirn. »Wissen Sie, was der Kerl getan hat? Mit den Tieren?«
    Braig reagierte nicht, hatte Mühe, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Er hatte die Akten über Stecher nicht vollständig gelesen, vieles ausgelassen, weil er es unerträglich fand. Die Schilderung aller Einzelheiten war fast nicht zumutbar, eine Aufzählung sadistischer Gräueltaten, ein einziges Sammelsurium perverser Verbrechen.
    »Es dauerte Ewigkeiten«, sagte Kühnle mit schwacher, seltsam kraftloser Stimme. »Irgendwann hatte ich die Kraft, mich aufzuraffen, schlich mich aus der Wohnung. Es kam aus dem Keller, schallte von allen Seiten. Glauben Sie, dass ich es nicht wagte, das Licht einzuschalten, in meinem eigenen Haus?« Er zeigte auf das Gebäude vor ihnen, wies auf die schmalen Fenster, die wenige Zentimeter über dem Boden, von Gittern geschützt, eingebaut waren.
    »Ich traute mich nicht, den Schalter anzufassen, in meinem Haus! Statt dessen keuchte ich wieder die Treppe hoch, holte eine Taschenlampe. Dann stand ich davor. Sie können es sich nicht vorstellen.«
    Braig dachte später nicht gern daran zurück, dass ihnen der Mann minutenlang und in allen Einzelheiten beschrieben hatte, wie er die Überreste eines Dackels gefunden hatte. Der Anblick des unglücklichen Wesens mitten in der Nacht hatte Kühnle fast den Verstand geraubt. Voller Panik war er aus dem Keller gerannt, die Treppe hoch, hatte sich schreiend in seine Wohnung im Erdgeschoss geflüchtet. Als er sich, begleitet von seiner Frau, Minuten später wieder in den Keller wagte, lag seine Taschenlampe auf dem Boden, ihr Strahl auf die weiß verputzte, jetzt von Blutspritzern verschmierte Wand gerichtet. Wenige Zentimeter daneben, im Schatten des Lichts, die Überreste des zu Tode gequälten Tieres, seine Augen waren vor lauter Qualen weit aufgerissen.
    Braig hatte sich voller Ekel und Entsetzen abgewandt, den Schilderungen des Mannes nur noch mit halbem Ohr zugehört. Woher kam solcher Irrsinn? Gab es überhaupt keine Grenzen mehr, vor denen menschlicher Wahnsinn Halt machte? Was war das für eine Person, die in jungen Jahren schon zu solchem Sadismus fähig war? Wie war er auf diese Bahn gekommen, was war fehlgeschlagen in den Jahren des Heranwachsens?
    Braig schauderte beim Gedanken daran, dass Stecher wieder frei herumlief, irgendwo, vielleicht mit dem Gedanken, seine blutige Spur

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