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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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ließen ihn jünger erscheinen.
    »Martin Gronau schickt mich. Ich suche Mario.«
    Die Züge des Mannes hellten sich augenblicklich auf. »Martin? Das ist schön. Ich bin Mario.« Er reichte ihr die Hand über den Tresen, schüttelte sie kräftig. »Was ist mit ihm? Wieder unterwegs?« Sein italienischer Akzent war nicht zu überhören.
    Lisa nickte, beschloss ihr Anliegen sofort vorzutragen. »Er hat mich gebeten, zu Ihnen zu gehen.«
    Unmittelbar hinter ihr begann plötzlich ein Kind lauthals zu schreien. Erschrocken drehte sie sich um. Ein kaum mehr als drei Jahre alter Junge stand mit vor Zorn verzerrter Miene vor der McDonald’s-Filiale, zeigte mit weit ausgestreckter Hand auf eines der farbigen Plakate, das knusprige Fleischbällchen avisierte, stampfte mit beiden Füßen auf den Boden. Sein Gebrüll schwoll an wie das Heulen einer Sirene. »Des do will i«, glaubte Lisa zu verstehen. Sie sah, wie eine junge Frau mit hochrotem Gesicht auf den Jungen zueilte, ihn kopfschüttelnd an der Hand packte und von dem Plakat wegzerrte. Das Schreien verstärkte sich, drohte hysterische Formen anzunehmen. Die junge Mutter reagierte nicht darauf, zog ihren Sohn mit sich. Erst als sie die Marktstation verlassen hatten, war wieder an eine normale Unterhaltung zu denken.
    Lisa schüttelte den Kopf, wandte sich dem Mann hinter der Theke zu. »Joschka hat Fieber«, sagte sie kurz.
    »Joschka?« Ihr Gesprächspartner schien nicht zu verstehen.
    »Ich soll das Material holen.«
    »Ach so. Das Päckchen.« Er nickte, eilte zu dem Wandschrank am anderen Ende der Theke, zog ein dünnes Kuvert vor. »Mein Handy ist kaputt«, sagte er, »deswegen. Martin kann mich nicht erreichen.«
    Sie nahm das Kuvert in Empfang, bedankte sich. Ein Mann hatte sich wartend neben ihr aufgebaut, zeigte auf eines der belegten Brötchen. »Zwei Stück«, erklärte er mit kräftiger Stimme, »aber nur mit Käse.«
    Lisa sah, dass weitere Kunden auftauchten, verabschiedete sich.
    Der Verkäufer reichte ihr wieder die Hand. »Liebe Grüße an Martin«, sagte er, »ich freue mich, wenn er mich wieder besucht.«
    Sie nickte ihm freundlich zu, betrachtete das Kuvert. Es hatte die Größe einer normalen Diskette, war bereits mit Briefmarken versehen und an Martin Gronau, Intercity Hotel, Postfach, in Hamburg-Altona adressiert. Sie spürte deutlich die Polsterung, die den Inhalt vor unangemessener Handhabung schützen sollte, steckte das Päckchen in ihre Hosentasche, verließ dann die Marktstation und trat in die Bahnhofshalle.
    »Der Intercityexpress aus Berlin fährt jetzt auf Gleis 8 ein«, verkündeten die Lautsprecher.
    Der Mann stand ihr plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, mitten im Weg. Sie erkannte ihn sofort. Die dunkle Lederjacke, die leicht nach vorne gebeugte Gestalt, sie hatte ihn bereits zweimal hinter sich bemerkt.
    »Her damit, sofort!«
    Er sprach mit Akzent, betonte die Worte nicht korrekt. Welchem Land sein Slang zuzuordnen war, vermochte Lisa in der kurzen Zeit nicht zu entscheiden. Sie war viel zu schockiert vom drohenden Lauf der Pistole, der vorne aus seiner Jacke ragte und direkt auf ihre Brust zielte.

7. Kapitel
    Steffen Braigs Stimmung war auf dem absoluten Nullpunkt angelangt. Die drastische Verschlechterung des Gesundheitszustandes Ann-Katrin Räubers, ihre erneute Operation, der brutale Mord an Christina Bangler, deren mutwillig zerstörtes Gesicht ihn seit seinem ersten Anblick am Waiblinger Fundort ununterbrochen begleitete, die Wut über die anstrengende, vollkommen sinnlose, bis in die Nacht reichende Plackerei auf der Suche nach dem angeblich vermissten Manager am Tag zuvor und die Begegnung mit den Adoptiveltern der getöteten jungen Frau hatten ihm jeden Gedanken an ein wenigstens in Ansätzen sinnvolles Dasein dermaßen verleidet, dass er nahe daran war, sich in depressive Grübeleien zu flüchten. Die Nebelschwaden, die in unnachgiebiger Beharrlichkeit dafür sorgten, dass es den ganzen Tag nicht einem einzigen Sonnenstrahl gelang, zur Erdoberfläche durchzudringen, um die vierundzwanzigstündige Dämmerung wenigstens für ein paar Stunden oder Minuten zu unterbrechen, schien ein Spiegel seiner seelischen Verfassung. Wozu die ganze Arbeit, weshalb die unaufhörlichen Bemühungen, wenn jeder Tag nur immer wieder neue Rückschläge brachte?
    Braig spürte seinen hungrigen Magen, fühlte seine Kopfschmerzen. Seit Tagen hatte er sich – wieder einmal – keine vernünftige Mahlzeit gegönnt, war mit trockenen Brötchen

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