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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Christina«, sagte er, »kennen Sie sie?«
    »Ich werde sie nicht kennen!«, antwortete die Frau. »Wir leben seit einem halben Jahr zusammen hier in unserer WG. Da lernt man sich kennen, allerdings. Was ist mit Christina?«
    Braig zögerte, schaute auf seine Uhr. Kurz nach eins. Fellbach lag nur wenige Kilometer von Endersbach entfernt. »Ich würde es Ihnen gern persönlich erklären. Kann ich bei Ihnen vorbeikommen, jetzt, in einer halben Stunde etwa?«
    Seine Gesprächspartnerin versuchte erst ihn abzuwehren, wies darauf hin, dass sie krank sei und im Bett liege, gab dann aber nach, als er auf seinem Besuch bestand und erklärte ihm, wo die Beutelsbacher Straße zu finden sei.
    Keine dreißig Minuten später stand er vor dem Haus. Er hatte die nächste S-Bahn nach Endersbach genommen, die Wohnung dann knapp dreihundert Meter vom Bahnhof entfernt erreicht.
    Michaela Schneitter war eine junge, zur Korpulenz neigende Frau mit langen, dunklen Haaren, führte Braig in einen roten Hausanzug gehüllt ins gemeinsame Esszimmer der von insgesamt vier Leuten bewohnten WG, bot ihm dort einen Stuhl an. Er hatte sich ausgewiesen, sich für seine Hartnäckigkeit entschuldigt, die Vier-Zimmer-Wohnung neugierig begutachtet.
    »Vier Zimmer für vier Leute?«, fragte er. »Wie kommen Sie da zu einem gemeinsamen Raum?«
    »Christina und Rebekka leben zusammen in einem Zimmer«, erklärte sie. »Rebekka kam überraschend zu uns. Sie war nicht eingeplant.«
    »Ist das nicht zu eng?«
    Michaela Schneitters Antwort kam blitzschnell. »Es ist auf jeden Fall besser als das Irrenhaus, aus dem sie davonliefen. Da spielen Quadratmeter keine Rolle.«
    Braig nickte mit solcher Überzeugung, dass sie ihn kritisch anstarrte.
    »Sind Sie etwa von ihren Alten beauftragt?«
    »Nein«, sagte er, »nein.« Er hob seine Hände, wehrte ihre Vermutung so eindringlich ab, dass sich ihr Blick leicht entspannte.
    »Christina ist tot«, erklärte er dann. »Deshalb bin ich hier.«
    Die junge Frau reagierte wie die Personen in einem in Zeitlupe ablaufenden Film. Sie riss ihre Augen weit auf, schaute Braig fragend an. »Christina ist …« Sie schüttelte den Kopf, öffnete den Mund, atmete schwer, verfiel in ein ängstliches Schluchzen, behielt ihren Besucher dabei immer im Blick. »Christina?«
    Er nickte, blieb ruhig.
    »Aber das«, sie stotterte, »das kann doch nicht sein!«
    Zum ersten Mal während dieser Ermittlungen erfuhr Braig deutliches Mitgefühl. Was er bei beiden Elternteilen so schmerzlich vermisst hatte, wurde Christina Bangler hier umso vehementer zuteil: Anteilnahme, unverhohlene persönliche Betroffenheit. Endlich schien ihr Schicksal einen Menschen zutiefst zu berühren.
    Michaela Schneitter war in Tränen ausgebrochen, gab sich ohne Scheu ihren Gefühlen hin. Sie schüttelte den Kopf, setzte an zu einer Frage, war unfähig, die Worte aus sich herauszulassen.
    Braig ließ ihr Zeit, wartete, bis sie imstande schien sich zu äußern.
    »Wie ist es …?« Ihre Stimme versagte, erstickte in neuem Schluchzen.
    Er griff zu einer Packung Papiertaschentücher, die auf dem Fensterbrett an seiner Seite lagen, reichte sie ihr, schaute weg, solange sie die Tränen abtupfte. »Wann haben Sie Christina zum letzten Mal gesehen?«, fragte er. Er wollte noch nicht auf den schrecklichen Tod der Ermordeten eingehen, weil er fürchtete, seine Gesprächspartnerin könne dann vollends die Kontrolle über sich verlieren und wäre vorerst zu keiner weiteren Auskunft mehr fähig.
    »Ich?«
    Er nickte, wartete auf ihre Antwort.
    Sie überlegte, benötigte einige Sekunden, bis sie einen klaren Gedanken fassen konnte. »Gestern. Gestern Abend.«
    »Hier in der Wohnung?«
    Michaela Schneitter nickte. »Wir haben zusammen gegessen.«
    »Um wie viel Uhr ungefähr?«
    »Gegen sechs. Oder kurz danach.«
    »Und dann?«
    »Christina wollte nach Stuttgart. Sie traf sich mit einer alten Freundin, einer ehemaligen Mitschülerin.«
    »Wissen Sie ihren Namen?«
    Die junge Frau überlegte, wischte über ihr Gesicht. »Corinna«, sagte sie dann, »aber mehr weiß ich leider nicht. Sie müssen Rebekka fragen, die kennt sie.«
    Braig nickte, erkundigte sich nach dem Beruf und der Arbeitsstelle der Ermordeten.
    »Sie jobbt bei der Post in Waiblingen. Im Verteilzentrum direkt am Bahnhof. Heute hat sie ihren freien Tag.«
    »Und was macht ihre Schwester?«
    »Genau dasselbe. Christina hat ihr die Stelle besorgt. Rebekka hat die Schule abgebrochen, als sie zu uns herzog. Obwohl wir sie

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