Schwaben-Zorn
bin.«
»Nein, das sind Sie nicht«, antwortete Braig. Er musste sich zurücknehmen, durfte sein Gegenüber nicht zu offen angehen, um den Mann nicht zu grundsätzlicher Blockade zu verleiten. Ohne weiter auf Banglers seltsames Verhalten einzugehen, sprach er deshalb sein eigentliches Thema an. »Sie kennen die neue Wohnung Christinas und Rebekkas.« Er brachte den Satz im feststellenden, nicht im fragenden Tonfall.
»Na und?«
»Sie haben die Mädchen dort besucht.«
»Ist das verboten?« Bangler beugte sich vor, wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Verboten?« Braig schüttelte den Kopf. »Nein, mich wundert es nur, weil Sie mir gegenüber heute Morgen die Wohngemeinschaft in Endersbach nicht gerade freundlich beurteilten.«
»Wie ich etwas beurteile, ist allein meine Sache.«
»Richtig. Wenn Sie dann allerdings andere bedrohen, bleibt die Angelegenheit nicht mehr privat. Vor allem, wenn diesen Drohungen handgreifliche Aktionen folgen.«
»Wer behauptet das?« Robert Banglers Gesicht war vollends rot angelaufen, spiegelte seine innere Nervosität.
Braig war überzeugt, dass der Mann etwas zu verbergen suchte. »Augenzeugen«, sagte er kurz und in barschem, Furcht einflößendem Ton. »Sie haben Ihre Töchter mehrfach telefonisch und persönlich in der Wohnung in Endersbach bedroht. Ihr Zorn auf die beiden ist offensichtlich so groß, dass sie zu allem bereit sind. Die Mädchen haben einige Male erlebt, wie sie vor lauter Wut vollkommen die Kontrolle über sich verloren. Sie wollten Rebekka erwürgen, konnten nur von deren Mitbewohnerinnen davon abgehalten werden. Buchstäblich in letzter Sekunde.«
»Wie bitte?« Robert Bangler war aus seinem Stuhl aufgesprungen, starrte Braig mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. »Was sagen Sie da?«
»Geben Sie es zu?« Braigs Tonfall hatte deutlich an Schärfe zugelegt. »Sie hätten Ihre eigene Tochter erwürgt, wenn Sie nicht …«
»Aber das ist doch nicht wahr!« Der Mann stand händeringend vor Braig, starrte mit hochrotem Kopf und flehendem Gesichtsausdruck zu ihm hinunter. »Ich wollte Sie doch nicht erwürgen!«
»Was dann?«
Bangler warf den Kopf zur Seite, ruderte mit beiden Armen durch die Luft. »Ich war außer mir, das ist wahr. Es hätte nicht passieren dürfen. Wer sich ins Reich des Satans begibt, wird von den Dämonen, die dort herrschen, erfasst. Ich habe Rebekka am Hals gepackt. Aber doch nicht, um sie zu erwürgen!«
»Wozu sonst?«
»Ich hatte die Kontrolle über mich verloren, ja. Zuerst Christina, dann auch noch Rebekka. Ich wollte sie zurückholen, weg vom Weg des Verderbens, heim zu uns, das ist alles. Können Sie das nicht verstehen?«
Braig verzichtete auf eine Antwort.
»Wissen Sie, was es bedeutet, wenn man zwei Kinder großzieht, sie fast von Geburt an begleitet, ihr ganzes Leben auf sie ausrichtet und ihnen alles schenkt, was man zu geben hat, Liebe, Zeit, Geld, alles, fast zwanzig Jahre lang – und plötzlich gehen sie, eine nach der anderen, auf und davon?«
»Sie kamen jedenfalls so in Rage, dass Sie Rebekka beinahe erwürgten«, antwortete Braig, ohne auf Banglers Verständnis heischende Worte einzugehen. »Zu Ihrem und Ihrer Tochter großem Glück aber wurden Sie noch rechtzeitig daran gehindert, die Tat vollends auszuführen. Dann wurde Ihnen allerdings klar, dass Christina die Hauptverantwortliche für das Zerbrechen Ihrer Familie war, weil sie nämlich als Erste davongelaufen war und Rebekka, wie Sie glauben, dazu verführte, ihr zu folgen, und deshalb beschlossen Sie ….« Er verstummte, ließ den Rest des Satzes offen, weil er die Veränderung in Banglers Gesicht bemerkte.
Der Mann hatte offensichtlich begriffen, worauf Braig hinauswollte. Er riss seinen Mund weit auf, japste wie einFrosch nach Luft und schlug mit seinen Armen um sich.
»Aber Sie, Sie wollen doch nicht wirklich be … behaupten …« Bangler stotterte, hielt dann mitten in seiner Frage inne, starrte Braig ungläubig an, gab keinen Ton mehr von sich. Auf seiner Stirn perlten die Schweißtropfen.
»Wo waren Sie gestern Abend?«, fragte der Kommissar. Der eigentliche Zielpunkt seiner Frage lag unausgesprochen in der Luft.
Robert Bangler ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen, schüttelte den Kopf. »Sie glauben doch nicht wirklich?«
»Wo waren Sie?«
»In der Bibelstunde.« Er sprach so leise, fast zaghaft, dass Braig Mühe hatte, ihn zu verstehen.
»Bibelstunde?«
»Wie jeden Montag, ja.«
»Wo?«
»Bei den Geschwistern Vogelmann.
Weitere Kostenlose Bücher