Schwaben-Zorn
Verkommenheit.«
»Wollen Sie nicht weiter essen?« Der Autohändler deutete auf ihr belegtes Brötchen. »Es wäre schade um das gute Stück.«
»Sparen Sie sich Ihre Ablenkungsmanöver. So einfach können Sie Ihre verschiedenen Gewaltakte an Frauen nicht zur Seite schieben. Aber was uns heute viel mehr interessiert: Wie lief das ab am letzten Montagabend?«
»Montagabend?« Meyer hatte den Rest der Obsttorte gegessen, hielt die leere Gabel in seiner Hand.
»Sie riefen Christina Bangler an, als sie gerade in Welzheim war. Obwohl diese Sie nicht sehen wollte, fuhren Sie hin und holten sie ab. Sie gingen mit ihr nach Waiblingen. Dort lief es aber nicht so, wie Sie sich das vorgestellt hatten: Christina erklärte Ihnen, dass sie endgültig von Ihnen verschont bleiben wollte und gab Ihnen Ihr Handy zurück – als bewusstes Zeichen ihrer Entschlossenheit. Soviel Widerstand hatten Sie nicht erwartet. Sie wurden wütend, verloren die Kontrolle über sich und fielen über die junge Frau her. Das Ergebnis Ihrer Attacke fanden wir dann am nächsten Morgen.«
»Moment, Moment. Ihre Fantasie in Ehren, aber wir sollten doch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Ich habe und das schwöre ich bei allem, was mir lieb und wertvoll ist, mit dem Tod Christinas nichts, überhaupt nichts zu tun.« Meyer hatte sich erhoben, seine Hand zur Verdeutlichung seines Schwurs von sich gestreckt. »Was immer Sie von mir halten mögen, ich bin kein Mörder.«
Braig sah zu dem Mann auf, bemerkte seine entschlossene Miene. Meyer stand wie ein Schauspieler, der eine erste Probe seiner Kunst präsentieren soll, kerzengerade vor ihnen, Pathos in jeder Faser seines Körpers. Eine Gruppe älterer Frauen zwei Tische weiter starrte angestrengt zu ihnen her, sichtlich darum bemüht, keine Sekunde der seltsamen Aufführung zu versäumen.
»Wir benötigen Beweise«, sagte Braig. »Wer kann bezeugen, wo Sie am Montagabend waren?«
Das pathetische Gehabe des Mannes nervte, sein unübersehbarer Hang zu übertriebener Selbstdarstellung raubte seinen Worten den letzten Rest an Seriosität und Glaubwürdigkeit.
»Bezeugen? Was halten Sie von mir?«, fragte Meyer. Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl, griff nach seiner Tasse, trank. »Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, in welches Licht Sie mich stellen. Das können Sie nicht tun.«
Neundorf lachte laut. »Das können wir nicht tun? Ich glaube, Sie haben noch nicht realisiert, in welcher Lage Sie sich befinden. Sie stehen unter Mordverdacht!«
»Mordverdacht? Das glauben Sie doch selbst nicht.« Der Mann verdrehte seine Augen, starrte in seine Tasse, merkte, dass sie leer war. Er griff nach seinem Kännchen, schenkte den Rest ein. »Mein Ehrenwort, ich habe mit Christinas Tod nichts zu tun.«
»Ihr Ehrenwort nützt mir nichts, davon kann ich mir nichts kaufen«, fauchte Neundorf. »Bleiben wir bei den Tatsachen. Sie waren also am Montagabend in Welzheim und holten Frau Bangler dort ab.«
Ihrem Gegenüber war deutlich anzumerken, wie es in ihm arbeitete. Meyer hatte seine aufgesetzte Fröhlichkeit verloren, war unsicher, wie er reagieren sollte. »Also gut, ich habe sie abgeholt«, presste er dann hervor, »das ist korrekt.«
»Um wie viel Uhr?«
Er streckte seine Arme von sich, öffnete seine Handflächen. »Fragen Sie mich etwas Leichteres. Ich weiß es nicht. Vielleicht um acht, vielleicht auch eine Stunde später? So ungefähr jedenfalls. Zur Zeit ist es ja schon nachmittags so dunkel, dass Sie nicht ohne Licht auskommen. Eine scheußliche Jahreszeit!«
Irgendwo im Hintergrund zerschellte ein Teller. Der Aufprall war so laut, dass Meyer vor Schreck in die Höhe sprang. Sie schauten in die Richtung der Küche, hörten die kräftigen Flüche einer Frau.
Neundorf war die Erste, die wieder zum Thema fand. »Zwischen acht und neun also. Sie holten Frau Bangler ab und fuhren mit ihr nach Waiblingen. Wo begann dann der große Streit?«
Meyer setzte sich wieder auf seinen Stuhl, wandte seinen Blick der Kommissarin zu. »Der große Streit?« Es war ihm deutlich anzusehen, wie angespannt er war. »Was wollen Sie mir eigentlich noch alles unterstellen? Wir hatten keinen großen Streit. Es war das übliche Geplänkel. Wir gingen ins Café Bellini.« Seine Sätze wurden kürzer, die Sprache hastiger. »Wo liegt dieses Café?«
»In der Altstadt. Lange Straße, in der Fußgängerzone. Kann ich Ihnen nur empfehlen, in dem Laden herrscht immer tolle Stimmung.« Meyer schien selbst zu spüren, dass seine
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