Schwaben-Zorn
habe ich nichts zu tun.« Seine Stimme klang jetzt wieder selbstsicher und kräftig, die kurze Phase seiner Besorgnis schien überwunden.
»Aber Sie haben sie gekannt«, sagte Braig, ergänzte dann nach kurzer Pause: »Sehr gut sogar.«
»Was geht Sie das an?«
»Ich fürchte, Sie haben ein Problem. Mein Name ist Braig, ich erwähnte es schon. Ich bin vom Landeskriminalamt.«
»Polizei?«
»Sie sagen es.«
»Normalerweise sind Ihre Kollegen auf der Suche nach gestohlenen oder vermissten Fahrzeugen, wenn sie mich anrufen«, erklärte Meyer. Sein Tonfall hatte sich nicht verändert. Er schien in keiner Weise verunsichert.
Ein alter Profi, überlegte Braig. Der Kontakt mit Polizeibeamten schien ihm geläufig zu sein. »Darf ich mit Erfolg rechnen, wenn ich in Ihren Beständen danach suche?«
Meyer lachte aus vollem Herzen. »Ich muss Sie enttäuschen. Ich bin ein seriöser Geschäftsmann. Sie dürfen jederzeit Einblick in meine Unterlagen nehmen, sofern Sie dazu befugt sind. Ich habe nichts zu verbergen.«
Braig kam ohne Übergang zu seinem Thema. »Christina Bangler. Sie haben sie also gekannt, ja?«
Meyer blieb freundlich. »Ich habe viele Bekannte, ich sagte es schon.«
»Wir müssen uns sprechen.«
»Wann?«
»Sofort«, antwortete Braig. »Wo können wir uns treffen?«
Meyer seufzte laut. »Das passt mir jetzt zwar überhaupt nicht, weil ich mehrere geschäftliche Termine wahrnehmen sollte, aber wenn die Polizei, mein Freund und Helfer, meine Wenigkeit benötigt, kann ich natürlich nicht nein sagen.«
»Da kann ich Ihnen nur beipflichten. Also, wo sehen wir uns?«
»Ich bin gerade in Leonberg, benötige noch ungefähr dreißig Minuten zum Prüfen eines Angebots. Passt es Ihnen gegen elf?«
»Einverstanden«, sagte Braig. »Wo sind Sie?«
»Möbelhaus Mutschier. Im Restaurant. Sie können es nicht verfehlen. Es liegt genau über dem Bahnhof. Dann reicht es zu einem zweiten Frühstück.«
Braig legte den Hörer auf.
19. Kapitel
Lorenz Meyers Aussehen hatte sich dem Foto des polizeilichen Straftäter-Programms gegenüber kaum verändert. Braig und Neundorf erkannten den Mann schon von weitem. Er saß am Rand des zu diesem Zeitpunkt nur wenig besuchten Restaurants des eleganten, mehrstöckigen Möbelhauses allein an einem Tisch, hatte ein Kännchen Kaffee und eine Obsttorte vor sich. Als er die beiden Beamten auf sich zusteuern sah, erhob er sich, reichte ihnen freundlich die Hand.
»Meyer«, stellte er sich vor. »Sie haben den Weg schnell gefunden?«
Braig nickte, musterte den Mann. Der war genauso groß wie er selbst, etwa 1,90 Meter, schlank, fast hager, hatte eine schmale, auf beiden Seiten von kurz geschnittenen, dunklen Haaren gesäumte Glatze. Meyer wirkte kaum jünger als die fünfzig Jahre, die sie seiner Biografie entnommen hatten; ein dunkelgrauer Anzug und ein weißes Hemd mit dezent blauer Krawatte verliehen ihm einen vornehmen Touch.
»Darf ich Ihnen etwas zum Essen und Trinken besorgen?«, fragte Meyer. »Hier gibt es leider nur Selbstbedienung.«
»Danke. Wir sind erwachsen«, wehrte Neundorf ab.
Sie begleitete Braig zur Theke, wählte wie ihr Kollege Kaffee und ein belegtes Brötchen, zahlte an der Kasse. Als sie wieder zum Tisch kamen, hatte der Mann das Mobiliar neu arrangiert. Statt vier standen jetzt nur noch drei Stühle dort, zwei davon ihm gegenüber platziert, sein Teller und seine Tasse waren von der Tischmitte zu ihm weggerückt, sodass sie ihre beiden Tabletts bequem abstellen konnten.
»Ich hoffe, Sie finden genügend Platz«, sagte Meyer, »wenn nicht …« Er zog seine Tasse noch näher zu sich.
»Danke, machen Sie sich keine Mühe.« Braig setzte sich, nahm einen Schluck Kaffee.
»Sie wundern sich vielleicht. Aber ich komme gerne hierher«, erklärte der Mann, »um diese Zeit ist es noch ruhig. Ich kann mir den Kuchen selbst aussuchen, sogar schon ein Mittagessen auswählen und«, er machte eine kleine Pause, zeigte auf die umliegenden Tische, »die Luft ist sauber, Rauchen tabu. Ich fühle mich einfach wohl hier.«
»Sie scheinen viel Zeit zu haben«, sagte Neundorf. Sie aß von ihrem Brötchen, studierte ihr Gegenüber.
»Ganz so einfach ist es nicht. Eigentlich sollte ich im Verlauf der nächsten Stunden zwei geschäftliche Termine wahrnehmen«, erklärte Meyer. »Aber sagen wir mal so: Ich habe es geschafft, ja. Nach vielen, vielen Jahren harter Arbeit. Zwei Jahrzehnte ohne Urlaub, irgendwann muss es sich mal lohnen.«
Braig, der das bemüht
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