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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sie, »aber können wir es wirklich ausschließen? Weißt du, wie viele frustrierende Begegnungen mit jungen Frauen er hinter sich hat?«
    Braig spürte, wie sich sein Puls beschleunigte und eine Gänsehaut sich auf seinem Rücken ausbreitete. Sollte Neundorf tatsächlich Recht haben? Befand sich der menschenscheue Sterngucker, längst verurteilt wegen eines gewaltsamen Übergriffs auf eine Frau, auf einem Rachefeldzug zur Wiederherstellung seiner vermeintlich verletzten Ehre?
    Er sah das zerschundene Gesicht Christina Banglers vor sich, dann die entstellten Wangen Karen Rommels. Waren die beiden Frauen dem scheinbar so harmlosen Sterngucker aus Welzheim zum Opfer gefallen?
    Er seufzte laut, starrte nach draußen. Sie hatten Möglingen erreicht, bogen nach rechts in die Ludwigsburger Straße ein. Die Scheinwerfer ihres Wagens konnten den Nebel nur wenige Meter weit durchdringen. Niemand war zu sehen, Möglingen schien ausgestorben.
    Braig schaute auf seine Uhr. Kurz nach zehn. Wer wagte sich um diese späte Stunde schon noch freiwillig in den dichten Nebel? Er massierte seine Schläfen, spürte eine leichte Linderung. Das stechende Pochen verlor an Intensität. Gerade als sie den Anfang der Markgröninger Straße erreicht hatten, fiel es ihm siedend heiß ein. Der Zusammenhang zwischen Markus Böhmer und Karen Rommel lag näher, als er vorhin noch gedacht hatte. Er spürte, wie seine Hände zitterten, sah, dass sie bei der richtigen Hausnummer angelangt waren.
    »Erinnerst du noch, wo Frau Rommel geboren wurde?«, fragte er.
    Neundorf hatte das Auto abgestellt, wollte gerade auf die Straße treten. »In Crailsheim«, sagte sie, »wir haben es doch in ihrem Ausweis gelesen.«
    »Dort wohnt Böhmers Mutter«, erklärte Braig, »ich habe mit ihr telefoniert.«
    Vor Schreck hielt seine Kollegin mitten in ihrer Bewegung inne.

26. Kapitel
    Wenige Minuten vor Mitternacht war Braig nach Hause gekommen, erschöpft, müde, vollkommen ausgelaugt. Er hatte sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank geholt, ihn lustlos in sich hinein gelöffelt, dann ein Glas Rotwein eingeschenkt und es als Schlummertrunk zu sich genommen. Sein Versuch, schnell Schlaf zu finden, war dennoch nicht von Erfolg gekrönt – die Misserfolge und Hiobsbotschaften der vergangenen Stunden lasteten wie gewaltige, unüberwindbare Ungetüme auf seiner Seele. Waren sie trotz all ihrer Anstrengungen auch nur einen einzigen Schritt weiter gekommen?
    Braig wälzte sich im Bett zur Seite, überlegte, ob sein Wirken nicht mehr und mehr dem des Sisyphos glich, jener antiken Sagengestalt, die ihres rebellischen und ungehorsamen Verhaltens wegen von den Göttern dazu verurteilt war, unablässig und in alle Ewigkeit unter größten Mühen einen Felsblock zum Gipfel eines Berges zu bewegen, um dann mit ansehen zu müssen, wie ihm der Stein direkt bei Erreichen der Spitze aus den Händen glitt und wieder zu Tal rollte. Gab es in seiner eigenen Tätigkeit wirklich noch Unterschiede zu diesem tragischen griechischen Helden?
    Den ganzen Tag über hatten sie versucht, Lorenz Meyer den Mord an Christina Bangler nachzuweisen, ihn als Täter, der dieses grauenvolle Verbrechen zu verantworten hatte, zu überführen, nur um dann abschließend erleben zu müssen, wie eine zweite junge Frau mit derselben kriminellen Energie zu Tode gekommen war – genau in der Zeit, in der Meyer sich in ihrer Obhut befunden hatte. Zu spät waren ihnen die Zusammenhänge zwischen dem immer noch spurlos verschwundenen Böhmer und den beiden getöteten Frauen aufgegangen – doch was nützte diese Erkenntnis, wenn es nicht gelang, den untergetauchten mutmaßlichen Mörder zu finden?
    Braig hatte noch am späten Abend eine Durchsuchung der Wohnung von Böhmers Mutter in Crailsheim am nächsten Morgen beantragt und vom zuständigen Untersuchungsrichter zugesagt bekommen, setzte dennoch nicht allzu viel Hoffnung in diese Aktion. Der junge Sterngucker schien zu clever, sich ausgerechnet dort zu verstecken, wo ihn die Polizei zuallererst vermuten würde.
    Er drehte sich wieder zur Seite, dachte daran, wie sie am späten Abend in Möglingen auf die Freundin Karen Rommels gestoßen waren, die gemeinsam mit der Ermordeten ein Zwei-Zimmer-Apartment bewohnte. Schon kurz nach dem ersten Läuten war Raffaela Mai zur Tür gestürzt, seit Stunden schon auf ihre Freundin wartend, hatte sie besorgt empfangen. Die Fahnder waren behutsam vorgegangen, Karen Rommels Schicksal nur ansatzweise beschreibend, hatten dennoch

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