Schwaben-Zorn
Kollegin Neundorf begleitet mich. Wir sind vom Landeskriminalamt. Sie haben die Tote gefunden?«
Der Mann nickte, blinzelte mehrfach mit den Augenlidern. »Sie müssen sich nicht entschuldigen«, antwortete er, »ich bin eingeschlafen. Ich habe zu lange gearbeitet heute. Und dann noch diese schreckliche Sache. Sautter, Herbert Sautter. Sie wollen sicher meinen Ausweis sehen?«
Braig nahm die Kennkarte entgegen. Der Mann war 1942 geboren und wohnte in Schwieberdingen. Braig notierte sich den Namen und die Adresse.
»Sie haben wahrscheinlich lange auf uns gewartet«, sagte Neundorf, »erzählen Sie bitte kurz, wie Sie die Frau gefunden haben.«
Herbert Sautter nahm seinen Ausweis wieder zurück, nickte aufgeregt mit dem Kopf. »Ich kam von der Arbeit, dort vorne in der Wilhelmstraße.« Er drehte sich um, zeigte ins Dunkel.
»Ich bin Anwalt in einer Kanzlei. Heute Abend war ich noch einmal kurz im Büro, hatte das Auto deshalb hier geparkt. Ich wollte zu meinem Wagen, freute mich, dass der Parkplatz recht leer war und ich fast schnurgerade hierher laufen konnte, als ich buchstäblich über die Frau stolperte. Sie lag direkt vor mir. Ich dachte zuerst, sie sei gefallen und habe sich verletzt, aber als sie überhaupt keine Antwort gab … Ich rannte zur Wilhelmstraße zurück, wo gerade ein paar Leute liefen, und sagte Bescheid. Eine Frau gab mir ein Handy. Damit wählte ich den Notruf.«
»Wissen Sie noch, wann genau das war?«
Herbert Sautter antwortete nicht sofort. »Ich weiß, ich hätte auf die Uhr schauen sollen.« Er wand sich hin und her, suchte nach einer Erklärung. »Ich war so aufgeregt, verstehen Sie, und vollkommen überrascht.«
»Ungefähr«, sagte Neundorf, »nur ganz grob.«
»Als ich das Büro verließ, war es zehn nach acht«, meinte er, »aber wie lange ich bis zu der Frau brauchte? Höchstens vier, fünf Minuten. Mehr nicht.«
»Zwanzig Uhr fünfzehn also«, überlegte die Kommissarin, »das reicht uns. Haben Sie jemand gesehen, irgendeine Person? In der Nähe der Leiche, meine ich, oder auf dem Parkplatz?«
Herbert Sautter wog seinen Kopf bedächtig hin und her. »Das werfe ich mir schon die ganze Zeit vor.«
»Was?«
»Als ich auf den Platz einbog, etwa in Höhe des Kriegerdenkmals, sah ich eine Gestalt wegspringen. Einen Mann oder irgendeine Person, genau von dort weg, wo ich dann auf die Frau stieß.«
Braig und Neundorf starrten den Mann elektrisiert an. »Würden Sie ihn wiedererkennen?«
»Um Gottes willen, nein.« Herbert Sautter wehrte das Ansinnen mit den Händen durch die Luft wedelnd ab. »Das werfe ich mir doch vor, dass ich genauer hätte hinsehen sollen. Aber wer denkt denn in einem solchen Moment an einen Mörder? Darum handelt es sich doch, um Mord, oder?«
Braig nickte, wiederholte die Frage seiner Kollegin. »Wie sah der Mann aus? Können Sie ihn in etwa beschreiben?«
»Nein. Wirklich nicht. Er huschte an mir vorbei, was heißt er – ich weiß ja noch nicht einmal, ob es überhaupt ein Mann war. Irgendeine Person, aber ich sah nur den Umriss, einen Schatten, wirklich, mehr nicht. Denken Sie an den Nebel, vorhin war es kein Haar besser als jetzt.«
Braig nickte, wollte den Mann nicht länger aufhalten.
»Ich werfe es mir schon die ganze Zeit vor«, wiederholte Herbert Sautter. »Aber ich kann Ihnen leider überhaupt nicht helfen.«
»Ist schon gut«, bedankte sich Neundorf. »Sie haben uns immerhin sofort verständigt, das ist viel wert. Für heute reicht es. Sie können nach Hause fahren. Wenn wir weitere Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.« Sie zog eine Visitenkarte aus ihrer Tasche, reichte sie ihm. »Falls Ihnen noch etwas einfällt. Irgendetwas zum Aussehen dieser unbekannten Person. Wie sie sich bewegt hat, wie groß oder wie schlank sie war, die Form ihrer Haare, was sie anhatte – bitte denken Sie darüber nach, das ist für unsere Ermittlungen sehr wichtig. Vielleicht können Sie uns morgen Bescheid geben? Wir sind für jeden Hinweis dankbar.«
Der Mann nahm die Karte, öffnete die Tür seines Autos, verabschiedete sich.
»Und jetzt?«, fragte die Kommissarin.
»Die Familie der Toten«, antwortete Braig, »machen wir es gemeinsam?« Er sah, wie seine Kollegin nickte, merkte an ihrem unsicheren Gang, wie erschöpft sie war. »Vielleicht ist es besser, du gehst nach Hause. Ich erledige es allein. Es ist dein erster Tag im Dienst nach der Operation.«
»Es geht noch«, sagte sie, »ich melde mich schon, wenn ich nicht mehr kann.«
Sie klopfte
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