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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Hoppert
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dich bereiterklären wirst, der Reichert bei ihrem Suizid zu helfen?«
    Marc holte tief Luft. »Das weiß ich nicht, wir haben momentan einfach zu wenige Informationen. Und die müssen wir dringend besorgen, wenn ich nicht in den Knast wandern will.« Er fixierte Gabriel. »Es wäre schön, wenn du mir bei der Informationsbeschaffung weiterhin helfen würdest. Ich wüsste nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte. Außerdem habe ich Melanie versprochen, sie nicht in diese Sache hineinzuziehen.«
    »Du meinst, ich soll als eine Art Harry Mc Sween für dich arbeiten?« Gabriel dachte kurz darüber nach, dann rieb er sich die Hände. »Das gefällt mir«, sagte er. »Das gefällt mir sogar sehr.«
    »Danke«, Marc sah auf die Uhr. »Es ist schon spät. Ich muss los. Morgen wird wieder ein langer Tag.«
    Gabriel nickte. »Viel Glück bei diesem Verein. Wir sehen uns spätestens übermorgen bei dir.«

20
    Der ICE aus Bielefeld traf fahrplanmäßig um 8.48 Uhr in Hamm ein. Das Büro des Vereins Wider das Vergessen der Aktion T4 lag in der Nähe des Hauptbahnhofs. Auf dem Weg dorthin schaute Marc sich mehrfach unauffällig um, aber er konnte niemanden ausmachen, der ihm folgte. Auch im Zug war er sich unbeobachtet vorgekommen. Entweder waren seine Überwacher sehr gut oder Gabriels Fantasie hatte wieder einmal Überstunden gemacht.
    Als Marc im zweiten Stock des Geschäftshauses ankam, öffnete er eine Tür aus Rauchglas und betrat ein Vorzimmer, in dem eine Frau mittleren Alters, in beiden Händen ein schnurloses Telefon, abwechselnd in den einen und in den anderen Hörer sprach. Nach fünf Minuten hatte sie ihre Gespräche beendet.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie. »Aber hier ist im Moment Stress pur.«
    »Mein Name ist Hagen«, stellte Marc sich vor. »Wir hatten gestern telefoniert. Ich habe um halb zehn einen Termin bei Herrn Lichtenfeld.«
    »Ah ja«, erinnerte sie sich. »Einen Moment bitte.« Sie griff nach einem Telefon, tippte drei Zahlen ein und meldete Marc an. »Sie können direkt reingehen«, verkündete sie dann und nickte in Richtung einer Tür, die von dem Vorzimmer abging. »Herr Lichtenfeld erwartet Sie bereits.«
    Als Marc eintrat, erhob sich ein großer Mann Mitte fünfzig hinter seinem Schreibtisch und kam Marc auf halbem Weg entgegen.
    »Guten Tag, Herr Hagen«, sagte er und zeigte auf eine kleine Sitzgruppe. »Bitte.«
    Marc setzte sich. »Danke für den schnellen Termin«, begann er. »Wie es aussieht, haben Sie hier viel zu tun. Ich habe Ihre Sekretärin gestern Abend noch um kurz vor sechs erreicht.«
    Lichtenfeld lächelte. »Ja, seit dieser Erbschaft brennt bei uns die Luft. Bis zu Johanna Reicherts Tod haben wir ja eher im Verborgenen geblüht. Aber irgendwie scheint sich unsere Millionenerbschaft herumgesprochen zu haben, obwohl das Testament offiziell noch gar nicht eröffnet worden ist. Wir werden mit neuen Mitgliedsanträgen und Bittbriefen geradezu überschüttet. Gerade bereiten wir eine außerordentliche Mitgliederversammlung vor, in der über die Verwendung des Geldes entschieden werden soll.«
    Marc rieb sich die schweißnassen Hände an der Hose ab. »Ich möchte keine Missverständnisse über den Zweck meines Besuchs und meine Person aufkommen lassen«, sagte er zögernd. »Ich bin der Mann, der Frau Reichert bei ihrem Suizid unterstützt hat. Sie hat mir gegenüber mehrfach den Wunsch geäußert, sterben zu wollen. Sie sagte, sie leide an unheilbarem Krebs und habe unerträgliche Schmerzen. Das war mein einziger Beweggrund, ihr zu helfen. Ich hatte keine Ahnung davon, dass sie über ihre Krankheit getäuscht worden ist.«
    »Ich habe bereits Erkundigungen über Sie eingezogen«, erwiderte Lichtenfeld kühl. »Ich weiß nicht, ob Sie an Frau Reicherts Ermordung beteiligt waren oder nicht. Selbst wenn Sie davon nichts gewusst haben sollten, müssen Sie wissen, dass wir Ihre Absichten keinesfalls billigen können, so ehrenhaft sie gewesen sein mögen. Ist Ihnen bekannt, worum es sich bei der Aktion T4 gehandelt hat?«
    Marc nickte. »Die Nazis haben unter diesem Tarnnamen behinderte Menschen ermordet.«
    »Das ist korrekt. Auch wenn die Nazis das natürlich nicht Mord genannt haben. Sie haben versucht, ihre Aktion mit dem Begriff ›Euthanasie‹ zu verschleiern, ein Wort aus dem Griechischen, das mit ›schöner Tod‹ übersetzt werden kann und die Ermordung als ›Akt der Erlösung‹ oder ›Gnadenakt‹ bezeichnet. Deshalb werden Sie vielleicht verstehen, dass unser

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