Schwanengesang (German Edition)
Heinen hat mir das Liebste genommen und was ist ihm passiert? Nichts! Er macht genauso weiter wie vorher.« Er betrachtete seine Zigarette, die fast bis auf den Filter heruntergebrannt war. Dann warf er sie achtlos auf den Boden und ließ sie dort weiterglimmen.
Marc startete einen letzten Anlauf. »Sie können sich also nicht vorstellen, wo Heinen stecken könnte?«
»Nein, aber ich wünsche mir, dass er bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmort.«
23
»Ist Melanie noch sauer auf mich?«
Gabriel sah dermaßen zerknirscht aus, dass Marc lachen musste. Sie saßen im Konsulat , jeder mit einem Glas Bier vor sich.
»Nein, Sie hat dir verziehen«, versicherte Marc. »Spätestens nach deiner zwanzigsten Entschuldigung.«
Gabriel machte einen erleichterten Eindruck. »Die Sache ist mir entsetzlich peinlich«, sagte er. »Melanie ist so nett, mich zum Essen einzuladen, und ich benehme mich dermaßen daneben.«
»Sie weiß, dass du es nicht so gemeint hast. Und sie weiß auch, dass du gerade eine schwere Zeit durchmachst.«
»Ja, Melanie ist einfach ein Goldstück. Ich glaube, du weißt gar nicht, was du an ihr hast. Halt sie fest und lass sie nie wieder los.« Er stutzte und sah Marc in die Augen. »Warum heiratest du Melanie nicht endlich?«, fragte er.
»Heiraten?«, wiederholte Marc nach einer Schrecksekunde und lachte gekünstelt. »Dass ausgerechnet du mich das fragst!«
»Das ist mein Ernst, Marc. Ihr seid schon fast vier Jahre zusammen. Manchmal glaube ich, du hast nur Angst vor der eigenen Courage.«
»Warum soll ich überhaupt heiraten? Es läuft doch im Moment alles wunderbar. Wer weiß, wie es nach einer Hochzeit aussieht. Denk nur daran, was aus J. R. und Sue Ellen, aus Ray und Donna, aus Lucy und Mitch, ja sogar aus dem Traumpaar Bobby und Pam geworden ist.«
»Wie hieß Pams erster Mann?«, warf Gabriel schnell ein.
»Ed Haynes«, erwiderte Marc wie aus der Pistole geschossen. »So eingerostet bin ich auch nicht.«
»Falsch.« Gabriel grinste.
»Natürlich!«, widersprach Marc heftig. »Pam hat diesen Ed Haynes zehn Jahre vor Bobby geheiratet, aber die Ehe wurde kurz darauf durch das Eingreifen von Digger Barnes annulliert, weil Pam noch minderjährig war.«
»Eben, die Ehe wurde annulliert. Ergo war sie ungültig, ergo hat es sie nie gegeben, ergo war Pam nie verheiratet, ergo war Bobby Pams erster Mann.« Gabriel lächelte überheblich. »Quod erat demonstrandum.«
Marc seufzte. »Sag mir lieber, warum du mich heute unbedingt noch sehen musstest.«
»Vorher würde ich gerne wissen, wie dein Besuch bei Jennifers Vater verlaufen ist.«
»Scarpetta ist eine Sackgasse«, erwiderte Marc. »Ich dachte auch, er könnte mir bei der Suche nach Heinen helfen, aber das war, bevor ich ihn gesehen habe. Er ist ein menschliches Wrack und gar nicht mehr in der Lage, Heinen zu entführen oder zu ermorden.«
»Um jemanden zu ermorden braucht es nicht viel«, widersprach Gabriel. »Und die Italiener sind nun mal ein rachsüchtiges Völkchen. Außerdem kann man solche Dinge auch in Auftrag geben, wenn man sie nicht selbst ausführen kann.«
»Aber dafür benötigt man Geld. Geld, das Scarpetta offensichtlich nicht hat.«
»Dann war es vielleicht einer von Heinens anderen ehemaligen Patienten oder von deren Hinterbliebenen. Ich habe mich in verschiedenen Internetforen umgesehen. Es gibt unzählige Menschen, die Heinen hassen, weil seine Wundermittel ihrer Meinung nach nicht das gehalten haben, was er ihnen versprochen hat.«
»Das bringt mich jetzt nicht weiter. Also: Was hast du herausgefunden?«
Gabriel machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Da ich schon mal im Internet war, habe ich mich noch einmal etwas näher mit diesem Verein und der Aktion T4 befasst. Und dabei ist mir etwas aufgefallen.« Gabriel zog ein Blatt Papier aus der Tasche und legte es vor sich auf den Tisch. »Die Tötung der behinderten Kinder in der Berliner Klinik, in der Johanna Reicherts Vater gearbeitet hat, erfolgte durch zeitlich gestaffelte und überdosierte Barbituratgaben wie …«, er nahm das Blatt zur Hand und las die Namen ab, »… Luminal, Veronal, Trional oder Morphin, die unter das Essen der Kinder gemischt oder als angebliches Anti-Typhusmittel gespritzt wurden. Diese führten zu Atemlähmungen, Kreislauf- und Nierenversagen oder Lungenentzündungen. So konnte immer eine scheinbar natürliche, unmittelbare Todesursache attestiert werden.« Gabriel sah Marc erwartungsvoll an.
»Und?«, fragte der. »Das ist
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