Schwanengrab

schönes Biest. Berechnend. Sie hat genau gewusst, wie sie sich verhalten muss, damit alle nach ihrer Pfeife tanzen. Die Lehrer hat sie reihenweise um den Finger gewickelt, und die Hälfte der Jungs an unserer Schule. Erst hat Christoph nur wegen ihr überhaupt mitgemacht. Er war wirklich schwer verknallt in sie.« Neelas Worte versetzten mir einen Stich. Eigentlich ging es mich doch nichts an, mit wem Christoph zusammen war.
    »Und sie?«, fragte ich mühsam. »Mochte sie ihn auch?«
    Ich wollte es eigentlich gar nicht hören. Warum hatte ich nur danach gefragt?
    »Veronika war auch verknallt, sehr sogar ...«, sagte Neela und blickte mich eindringlich an. Mir wurde übel und irgendwie auch schwindelig. Lag das an den Räucherstäbchen oder hatte ich mich doch erkältet?
    »Aber nicht in Chris!«, ergänzte sie nach einer Weile und musterte mich nachdenklich. »Sondern ... in ihren Lehrer!«
    Ich riss die Augen auf. »Veronika? In wen?«
    »In den Simon!«
    »Herr Simon? Sicher? Woher weißt du das?«
    »Von Chris«, sagte Neela und lächelte schief. »Er hat es mir erzählt.«
    »Und woher wusste er es?«
    Sie runzelte die Stirn. Ihre Augen wurden nachdenklich. »Er hat Veronika beobachtet. Ist ihr heimlich gefolgt. In der Schule und auch nach dem Unterricht. Und dabei hat er sie gesehen, wie sie um Herrn Simon herumscharwenzelt ist.«
    »Christoph hat Veronika nachspioniert?«, fragte ich fassungslos.
    »Und er war auch schwer beeindruckt von ihr.« Neelas Worte drangen wie durch einen Schleier. »Herr Simon, meine ich natürlich«, ergänzte sie. Es brauchte eine Weile, bis ich die wirren Bilder wieder aus meinem Kopf bekam und Platz machen konnte für das, was Neela soeben gesagt hatte.
    »Wie?«, fragte ich irritiert und schüttelte den Kopf. »Herr Simon? Von Veronika?«
    »Ob er in Veronika richtig verknallt war, weiß ich nicht. Auf dem Schulball hat er viel mit ihr getanzt, was zu allen möglichen Gerüchten geführt hat. Wenn er mit ihr alleine war oder es zumindest dachte – im Lehrerzimmer oder so –, hat er seinen Arm um ihre Schultern gelegt.«
    Ich starrte Neela an. Das hatte er bei mir auch gemacht. Was hatte das zu bedeuten? Außer dass es mir nicht sonderlich angenehm war, hatte ich mir eigentlich nichts dabei gedacht.
    »Geli hat das zweimal beobachtet und natürlich sofort weitererzählt. Über den Schulchat! Von da ab war es das Gesprächsthema Nummer eins. Die Gerüchteküche brodelte. Aber das Getratsche ging erst richtig los,als Veronika die Rolle des weißen Schwanes übernommen hat. Da gab es etliche Mädchen, die die Rolle der Odette spielen wollten. Und Veronika hat sie bekommen. Sie war wirklich gut! Der Simon musste bei den Proben einmal eine ganze Woche einspringen, weil David, der den Prinzen spielte, krank war. Die Liebesszene am See mit Veronika hat Herr Simon sehr überzeugend gespielt. Natürlich war das anschließend das Hauptgesprächsthema an der Schule, und der Großteil war danach überzeugt davon, dass zwischen den beiden was lief.«
    »Du meinst, Herr Simon ... und Veronika?«
    »Ach, was weiß ich. Ich habe mich nicht darum gekümmert. Ehrlich gesagt war mir Veronikas Liebesleben auch egal. Unfair fand ich nur, dass der Simon Veronika immer bevorzugt hat. Und bei der Inszenierung hat sie richtig geglänzt, obwohl das eigentlich nicht ihr zu verdanken war, sondern in erster Linie Christoph.«
    »Wie denn das?«
    »Na ja! Sie hatte schon auch ein paar gute Ideen, doch die entscheidenden Elemente und Veränderungen zu Schwanensee kamen nicht von ihr, so wie es die Krähe und Herr Simon meinten.«
    »Sondern von Christoph.«
    Neela nickte. »Was Theatersachen angeht, ist er wirklich ein Genie. Caro übrigens auch. Sie war wirklich gut. Sie hat die Rolle der Odile, des schwarzen Schwanes, ganz alleine überarbeitet und perfekt gespielt.«
    »Caro?«, sagte ich nachdenklich. » Schwanensee sollübernächste Woche an der Schule aufgeführt werden und Caro spielt darin wieder die Odile.«
    »Ach ja?«
    »Und du? Hast du dich darüber geärgert, dass Veronika die Lorbeeren kassiert hat?«, fragte ich schließlich.
    »Natürlich hat es mich genervt, dass dieses Püppchen immer im Mittelpunkt stand. Nicht weil ich es ihr nicht gegönnt hätte, sondern weil sie so selbstgefällig war. Aber trotzdem ... dass Schwanensee für Veronika in einem Schwanengesang endete, hätte ich ihr niemals gewünscht.«
    »Schwanengesang?«
    »Weißt du denn nicht, dass Schwäne singen, bevor sie