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Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schwarz
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Hörer wieder an mein Ohr.
    »Ja?«
    »Ich führe heute das Vollmond-Ritual durch. Du kannst es verstärken, indem du an das denkst, was dir am meisten am Herzen liegt.«
    Ach ja? »Mache ich, bye!«, erwiderte ich und legte den Hörer auf, um mich dann unter Winnies lautem Protestgebell zurück zur Türe zu kämpfen. »Vielen Dank, Herr Hermann«, schrie ich meinem Nachbarn entgegen und zog die Tür schnell hinter mir zu, bevor der Kampfdackel mir folgen konnte.
    Hungrig ging ich in die Küche. Das Einzige, was ich noch kochen konnte, waren Spiegeleier, also klopfte ich zwei in die Pfanne. Während ich wartete, bis sie im Öl fertig brutzelten, dachte ich über das Gespräch mit Neela nach. Sebastian Saager. Nie gehört. War er auch ein ehemaliger Schüler? Nein, unmöglich. Das konnte gar nicht sein. Das Datum war schon so alt. Elf Jahre!
    Morgen würde ich mehr wissen. Die Eier waren fertig – sunny side down. Ich hievte sie mir auf den Teller, schnitt mir Baguette ab und verbrachte den restlichen Abend vor dem Fernseher. Ziemlich spät ging ich ins Bett. Vollmond, dachte ich beim Einschlafen undträumte von Berkeley, Sarah und meiner Grandma, die an Thanksgiving eine Party für uns organisierte, und neben mir tanzte ... Christoph!
    Obwohl die Nachrichten ein richtiges Herbsttief vorausgesagt hatten, schien die Sonne und der neue Tag begrüßte mich mit einem strahlend blauen Himmel. Ich wachte lange vor dem Klingeln meines Weckers auf, hatte hervorragend geschlafen und war bester Laune. Endlich mal kein schrecklicher Traum – im Gegenteil! Und dann hatte ich ja auch noch den lang ersehnten Termin beim Kieferorthopäden. Singend ging ich ins Badezimmer. Hoffentlich war dies das letzte Mal, dass ich meine Zähne mit dieser lästigen Zahnspange putzen musste. Wie ich wohl aussah ohne das störende Teil in meinem Mund? Ich freute mich so sehr darauf.
    Ein bisschen flau wurde mir allerdings, als ich an den Englischunterricht dachte. Ich musste lügen, um mich davon befreien zu lassen. Andererseits wollte ich unbedingt wissen, was es mit dem anderen Grab auf sich hatte, mit der anderen roten Rose darauf.
    Sebastian Saager ...
    Hoffentlich nahm mir Frau Wagner meinen erfundenen Grippeanfall ab. Ich sah kein bisschen krank aus. Die Samantha, die mir aus dem Spiegel entgegenblickte, gefiel mir richtig gut. Sollte ich mir ein paar Augenränder pinseln? Nein, auf keinen Fall! Wenn ich Christoph auf dem Schulhof begegnete, wollte ich nicht aussehenwie Frankensteins kleine Schwester. In mich hineinlächelnd schminkte ich mich wie gewohnt und stylte meine Haare zusätzlich mit dem Glätteisen. Top!
    Ich zog mein Handy von der Steckdose – das Ladekabel hatte ich am Abend im Bad gefunden – und nahm mir fest vor, künftig ein wenig ordentlicher damit umzugehen. Als ich meine Hefte in meine Tasche packte, war ich viel zu früh dran. Gut so! Es war höchste Zeit, um mit dem Bühnenbild für den schwarzen Schwan zu beginnen. Heute war Dienstag und Ende der Woche sollte eigentlich alles fertig sein. Vielleicht traf ich ja auch noch Christoph vor Schulbeginn.
    Als ich hinaus auf die Straße trat, stolperte ich beinahe über eine schwarze Katze, die auf den Stufen lag und sich in der Sonne reckte. Lächelnd dachte ich an Neelas verrückte Prognosen: Wenn dir eine schwarze Katze über den Weg läuft, dann verkriechst du dich am besten für den Rest des Tages im Bett.
    So ein Blödsinn! Nie im Leben würde ich mich heute in meinem Bett verkriechen wollen!
    Ich fuhr schneller als sonst und stellte mein Fahrrad an meinen Stammplatz ab. Um diese Uhrzeit waren noch kaum Schüler unterwegs und das Gelände wirkte entsprechend verlassen. Gerade wollte ich den Weg zum Theatersaal einschlagen, da hörte ich ein Knattern. Christophs hellblaue Vespa bog in den Schulhof. Er winkte mir von Weitem.
    Lächelnd ging ich ihm entgegen. Als er seinen Helm abzog, waren seine Haare wieder zerzaust. Doch diesmalsah es so aus, als hätte er mit Gel noch ein wenig nachgeholfen.
    »Hey, neue Frisur? Sieht gut aus«, begrüßte ich ihn.
    »Bin nur zu spät aufgestanden und hatte keine Zeit mehr, mich zu kämmen«, wich er aus.
    »Du solltest öfter verschlafen. Steht dir!«
    Er grinste verlegen.
    »Aber dafür bist du total früh hier«, stellte ich fest. Um diese Uhrzeit kam ich sonst gerade mal aus dem Bad. Erst in einer Dreiviertelstunde würde es zum Unterricht läuten.
    Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Ich hab mich von der Krähe

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