Schwanengrab
überreden lassen, einem Siebtklässler ein paar Matheaufgaben zu erklären, bevor der Unterricht beginnt. Muss jetzt also leider gleich ins Lehrerzimmer.«
Schade! Wir gingen dicht nebeneinander über den Schulhof. Ferien mit einem Schuss Zitrone streichelte meine Nase. Mann, mein Herz pochte wie wild. Bestimmt konnte er es hören. Neben der alten Buche blieb Christoph plötzlich stehen.
»Heute wird es vielleicht noch richtig warm werden«, meinte er und blickte mich lange an. Das Blau seiner Augen war diesmal so dunkel wie die Bay nach einem Regentag.
»Was ist?«, lachte ich unsicher. Wollte er sich etwa mit mir über das Wetter unterhalten?
»Wenn die Sonne scheint, hat dein Haar dieselbe Farbe wie Kastanien.«
Ich hielt die Luft an und spürte eine leichte Wärme in mein Gesicht wandern.
»Ich mag Kastanien«, fügte er hinzu. »Sehr sogar!« Die letzten Worte hatte er fast geflüstert. Er kam noch einen Schritt näher, dann streckte er seine Hand aus und strich mir langsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein Schauer lief über meinen Rücken.
Ich wollte nicht, dass er aufhörte, mich anzusehen, und ich wollte auch nicht, dass er die Hand wieder zurückzog. Mein Wunsch wurde erhört. Ganz sanft strich er über meine Wange. Seine Finger fuhren unter mein Haar in meinen Nacken. Dann beugte er sich langsam zu mir. Mir wurde ganz flau im Magen. Ich spürte seine warme Hand auf meiner Haut, spürte seinen Atem. Er war ganz nah. Ich schloss die Augen ...
»CHRISTOPH!«, ertönte eine schrille Stimme. Erschrocken riss ich die Augen auf. Christoph ließ seine Hand abrupt sinken. Oh nein, die Krähe kam direkt auf uns zugestöckelt. Konnte sie sich keinen besseren Zeitpunkt dafür aussuchen? Christoph seufzte.
»Guten Morgen, da bist du ja. Sehr gut! Wir können gleich gemeinsam ins Lehrerzimmer gehen«, schlug sie vor und lächelte mich freundlich an. Mann, merkte sie eigentlich nicht, dass sie störte?
Christoph stöhnte genervt. »Ich komme gleich!«
»Aber beeil dich bitte!«, flötete die Krähe und klack, klack, klack war sie weg.
Wir waren wieder alleine. Doch der Zauber von vorhin war verschwunden. Ein wenig unschlüssig standenwir uns gegenüber. Es war Christoph, der das Schweigen zuerst brach. »Bleibt es dabei: heute Abend um sechs bei dir?«
Ich nickte stumm.
»Also bis später«, sagte er leise. Dann ging er schnell dem Geklacker nach.
Ja, bis später. Ich blickte ihm noch eine Weile hinterher.
Kapitel 33
Die Tür zum Theatersaal stand offen. Ich hörte Geräusche hinter der Bühne und dann Schritte, die über den Holzboden liefen. Probte schon jemand? Leise ging ich weiter und spähte hinter die Vorhänge. Da stand Geli. Sie hielt einen Zettel in der Hand, auf dem ausgeschnittene Zeitungsbuchstaben klebten.
»Was machst du da?«, fragte ich vorwurfsvoll und riss ihr den Wisch aus der Hand.
Kapierst Du es nicht oder muss erst was passieren? Hau endlich wieder ab!
Fassungslos starrte ich sie an. Für wen dieser Zettel bestimmt war, musste sie mir gar nicht erst erklären.
»Was soll das?«, schrie ich. Ich war so entsetzt, dass ich mich nur schwer beherrschen konnte, sie nicht von der Bühne zu schubsen.
Geli wich meinem Blick aus, schüttelte den Kopf. Als sie mich schließlich doch ansah, schimmerten Tränen in ihren Augen. »Ich war es.« Ihre Stimme klang bitter.
Ja, schon kapiert.
»Tut mir leid«, sagte sie tonlos.
Geschockt versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Mein Fahrrad ... mein Fenster ... Geli!
»Ich habe Neelas Vater über Veronikas Allergie ausgefragt«, hörte ich sie leise.
Wie? Neelas Vater? Was hatte das mit dem Zettel zu tun?
»Das war der größte Fehler meines Lebens«, schniefte sie.
»Und was hat das mit mir zu tun?« Demonstrativ hielt ich ihr den Brief entgegen. Darauf wollte ich Antworten. Neelas Vater interessierte mich einen feuchten Dreck.
»Ich konnte ja nicht ahnen ...«, flüsterte sie und blickte ängstlich zur Seite, als wolle sie sich vergewissern, dass wir tatsächlich alleine waren.
Mir war plötzlich eiskalt. »Geli, bitte, ich verstehe nicht ...«
»Du kannst es auch nicht verstehen und du darfst es auch nicht verstehen. Du musst nur einfach wieder hier weg!« Ihre Stimme versagte.
Ich wurde noch wütender. »Es reicht jetzt. Ich bin nun einmal hier, ob es euch passt oder nicht, kapiert? Und ich werde mit Sicherheit nicht die Segel streichen, nur weil ihr keine Lust auf neue Gesichter habt«, blaffte ich sie an.
Bei den letzten
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