Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
auf den Bürgersteig, gefolgt von einer üppigen Blondine auf mörderisch hohen Absätzen. Seine Sekretärin? Seine Frau? Der Mann reichte ihr die Hand und sagte etwas, sie senkte den Blick und nickte. Dann stöckelte sie davon. Wohl eher eine Kundin. Der Mann schloss ab, stieg in einen schwarzen Mercedes und fuhr ebenfalls weg. Katrin wartete noch eine Weile, doch nichts tat sich. Das Beerdigungsinstitut musste jetzt leer sein. Bis auf die Menschen dort, die sich nicht mehr wegbewegen konnten. Katrin reckte sich und startete den Motor. In der Nähe des Hotels hatte sie eine Imbissbude gesehen. Sie kaufte eine Currywurst, eine Portion Pommes und eine Dose Cola und fuhr auf einen Feldweg etwas außerhalb der Stadt. Auf den Supermarktparkplatz wollte sie erst zurückfahren, wenn es dämmerte, denn ein Auto, das nach Ladenschluss noch auf dem Parkplatz stand, fiel vielleicht doch jemandem auf. Sie aß, während sie noch einmal den kurzen Text über die Legende vom schwarzen Dämon las. Dann vertiefte sie sich in den Roman, bis die Sonne endlich unterging.
Es war kurz nach zehn, als Katrin wieder auf den Parkplatz gegenüber dem Beerdigungsinstitut rollte. Sie stellte den Motor ab, wartete eine Weile und stieg dann aus. Lautlos schloss sie die Tür. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Straße menschenleer war, zog sie die Schirmmütze und die Einmalhandschuhe über, die sie am Nachmittag gekauft hatte. Ein schmaler Durchgang führte zu einem Hof und zur Hintertür des Beerdigungsinstituts. Katrin nahm an, dass auf diesem Weg die Leichname an- und abtransportiert wurden. Sie fischte ein kleines Etui aus der Hosentasche und betrachtete das Schloss. Es war nicht besonders gut, aber für eine Amateurin wie sie dennoch eine Herausforderung. Als sie im letzten Jahr ernsthaft darüber nachgedacht hatte, sich als Privatdetektivin selbstständig zu machen, hatte sie sich ein paar Fähigkeiten angeeignet, die sie in dem Job für unumgänglich hielt. Sie hatte einen Selbstverteidigungskurs gemacht, bei einem Hacker einige Privatstunden genommen und sich von einem Kumpel eines alten Freundes ein paar Grundkenntnisse im Knacken von Schlössern und Ausschalten von Alarmanlagen vermitteln lassen. Was sie gelernt hatte, reichte nicht aus, um einen Tresor auszuräumen, doch ein gewöhnliches Schloss konnte sie inzwischen relativ schnell öffnen, eine Fertigkeit, die sie Manfred bisher verschwiegen hatte, zumal sie sich ja am Ende gegen die Detektei und für die Fotografie entschieden hatte. Vorläufig zumindest.
Katrin warf einen Blick über die Schulter, dann nahm sie zwei kleine Stifte aus dem Etui und steckte sie behutsam in das Schloss. Ihre Finger zitterten, ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust. Einige Minuten schien es so, als würde das Schloss nicht nachgeben, doch dann spürte Katrin plötzlich, wie sich etwas bewegte. Es klickte, und die schwere Metalltür schwang nach innen. Katrin lauschte. Sie hatte an der Fassade des Hauses keine Anzeichen für eine Alarmanlage entdecken können, aber das war keine Garantie dafür, dass es nicht doch eine gab. Kein verräterisches Piepsen. Nichts. Katrin huschte in den dunklen Gang, der vor ihr lag, und zog behutsam die Tür zu. Wieder lauschte sie. Ihre Handflächen waren schweißnass, am liebsten hätte sie die Handschuhe ausgezogen, doch das wäre viel zu riskant gewesen. Sie fingerte die Taschenlampe aus der Gesäßtasche und knipste sie an. Am Ende des Gangs war eine einzelne Tür. Glücklicherweise war sie nicht abgeschlossen. Ohne Vorwarnung stand Katrin plötzlich in einer Art Kühlraum. Links von ihr befand sich ein Metalltisch, vermutlich um die Leichen zurechtzumachen, rechts waren sechs kleine Türen aus Metall in die Wand eingelassen, zwei mal drei übereinander. Die Kühlfächer. In einem davon ruhte sicher Marius Grauweiler, in einem anderen die Mumie. Katrin trat näher und leuchtete die Türen ab. Sie hatten massive Griffe, keine Schlösser. Und keine Namenschilder.
Mit hämmerndem Herzen zog sie an einem der Griffe. Eine Art Schublade rollte ihr entgegen. Sie war leer. Katrin stieß erleichtert die Luft aus. In dem nächsten Fach befand sich eine alte Frau. Obwohl Katrin beileibe schon schlimmer zugerichtete Leichen gesehen hatte, schrie sie leise auf, als sie das eingefallene Gesicht und den wie zum Schrei geöffneten Mund erblickte. Verdammt! Sie musste sich zusammenreißen.
Glücklicherweise war die nächste Schublade die richtige. Auf dem blank
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