Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
herrührte. Manfred hatte wieder zu seiner alten Form gefunden, nahm die engen Kurven mit rasantem Schwung und schimpfte leise vor sich hin, wenn er auf ein Hindernis stieß, das er nicht sofort überholen konnte. Seltsamerweise war Katrin froh darüber. Der verzagte Manfred, der am liebsten gar nicht in der Eifel ankommen wollte, war ihr unheimlich gewesen.
Sie reckte den Kopf noch ein Stück weiter aus dem Seitenfenster. Eine Woche waren sie erst hier, doch ihr kam es vor wie drei Monate. Sie hatte sich darauf gefreut, auf dem Land ein wenig zur Ruhe zu kommen, vielleicht sogar den Stier bei den Hörnern zu packen und mit Manfred zu reden, über ihren Verdacht, dass sie schwanger sein könnte, und die Ängste, die das in ihr auslöste. Doch sie fand gar nicht die Zeit dafür, zumindest nicht so viel Zeit, wie sie brauchte, um ihren Mut zusammenzunehmen. Immerhin hatte sie gestern heimlich einen Schwangerschaftstest gekauft, ein erster Schritt. Die Packung brannte ein Loch in ihre Handtasche, und einige Male war sie schon versucht gewesen, das Ding unbenutzt wieder wegzuwerfen.
»Ist dir nicht gut, soll ich langsamer fahren?« Manfred warf ihr einen besorgten Blick zu. »Du bist ganz blass.« Er ging vom Gas, nahm die nächste Kurve behutsam.
»Ist schon in Ordnung.« Sie lächelte ihn an. »Gib ruhig wieder Gas. Wenn du zu anständig fährst, macht mich das nervös, dann denke ich, dass etwas nicht in Ordnung ist.«
Er lachte auf, beschleunigte. Sie sah ihn von der Seite an. Sah so der Vater ihres Kindes aus? War sie jetzt endgültig in der bürgerlichen Spießigkeit angekommen? Windeln wechseln, Martinslaternen basteln, Englischvokabeln abhören? Ein regelmäßiger Tagesablauf, kein Ausschlafen bis zum frühen Nachmittag, wenn ihr danach war, keine spontanen Kurzurlaube, sondern lang geplante Reisen mit Kindersitz und Kotztüte? Katrin seufzte tief.
Manfred fuhr herum. »Irgendwas ist doch los mit dir, was hast du denn?«
Sie war drauf und dran, es ihm zu sagen. Aber das machte es so endgültig. Wenn sie es aussprach, schaffte sie damit Fakten. Was, wenn es falscher Alarm war? Manfred wäre todunglücklich, wo er sich doch so sehr ein Kind wünschte. Nein, erst der Test, dann Manfred. Es ging nicht anders. »Ich dachte nur gerade an das arme Mädchen«, sagte sie. »Ich habe mich gefragt, wie lang sie wohl in der dunklen Kammer gefangen gehalten wurde.«
»Wir wissen noch nicht, ob sie gefangen gehalten wurde«, antwortete Manfred. »Vielleicht hat sie sich dort vor irgendjemandem oder irgendetwas versteckt.«
»Das wäre doch auch eine Art Gefangenschaft, oder?«
Manfred nickte grimmig. »Ja, vermutlich schon.« Er betätigte den Blinker. »Wir sind gleich da.«
Sie waren auf dem Weg zu Franz Peters, einem pensionierten Polizeibeamten, der nach dem Verschwinden von David Freeman an den Ermittlungen beteiligt gewesen war. Den Namen hatte Micha für sie herausgesucht, ebenso wie die Adresse. Katrin war es ein wenig unheimlich, wie sehr ihr Exfreund sich für sie ins Zeug legte, wie schamlos er mit ihr flirtete und ihr Komplimente machte. Sie war sich nicht sicher, ob er das tatsächlich um der alten Zeiten willen tat, weil er sie immer noch mochte, oder ob er weitergehende Absichten hegte.
Vor allen Dingen traute sie ihren eigenen Gefühlen nicht über den Weg. Es beunruhigte sie, wie gut ihr seine Avancen taten. Wohin sollte das führen, ausgerechnet jetzt, wo sie mit Manfred an einem Wendepunkt stand? Im Augenblick wollte sie sich nicht mit dieser Frage auseinandersetzen, sie hatte bereits genug Baustellen, außerdem genoss sie es, eine so bereitwillig sprudelnde Quelle bei der Polizei zu haben. Diese Gesine Neumond würde vermutlich im Dreieck springen, wenn sie erfuhr, wie freimütig ihr Kollege mit einer Außenstehenden über Interna plauderte. Micha riskierte seine Karriere für sie. Früher oder später würde sie sich dem stellen müssen, was Micha als Gegenleistung erwartete. Bis es soweit war, würde sie sich noch ein wenig in seiner Aufmerksamkeit sonnen und es ausnutzen, dass sie ausnahmsweise einmal nicht für jede Information bei der Polizei betteln musste.
Katrin sah aus dem Fenster. Gerade passierten sie einen Hof, auf dem zwei Männer vor einem älteren Sportwagen standen und gestikulierten. Vermutlich drehte sich ihr Gespräch um Motorleistung, Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Was läuft eigentlich zwischen dir und diesem Dieter Mäder?«,
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