Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
fahren.«
»Musst du nicht.«
»Ich möchte wirklich nicht mehr.«
Micha füllte sein eigenes Glas. »Selbstverständlich. Keine Sorge, ich habe nicht vor, dich betrunken zu machen. Obwohl – einen Versuch wäre es wert.« Er lächelte schelmisch.
»Du würdest dir die Zähne an mir ausbeißen.«
Sein Lächeln wurde wärmer. »Ich weiß.«
Nachher gingen sie spazieren. Die Nacht war lau. Katrin hatte sich bei Micha untergehakt, und er erzählte Anekdoten aus dem Polizeialltag. Katrin bekam Bauchschmerzen vor Lachen, sie fühlte sich gelöst wie lang nicht mehr.
Irgendwann standen sie vor dem Wagen.
»Du könntest noch auf einen Kaffee zu mir hochkommen«, sagte Micha. »Damit du fit für die Fahrt bist. Ich wohne ganz in der Nähe.«
»Besser nicht«, antwortete Katrin, plötzlich befangen.
»Wie du meinst.«
»Danke für den schönen Abend.«
»Ich habe zu danken«, sagte er leise. »Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt in der Gesellschaft einer Frau.« Er fasste sie an den Oberarmen. »Die erste Liebe ist wohl doch etwas Besonderes. Sie hinterlässt tiefe Spuren.«
»Quatsch«, sagte Katrin. »Du hast zu viel Wein getrunken.«
»Du hast mich ja die ganze Flasche allein leeren lassen. Jetzt musst du die Konsequenzen ertragen.«
»Ach ja? Und welche sind das?«
Statt einer Antwort beugte er sich vor und küsste sie. Katrins Herz machte einen Satz, in ihrem Kopf rauschte es. Benommen erwiderte sie den Kuss, ließ zu, dass seine Hände sich von ihren Oberarmen lösten und sanft über ihren Rücken fuhren.
Nach einer halben Ewigkeit, die in Wahrheit vermutlich nur wenige Sekunden gedauert hatte, schob sie ihn von sich weg. Ihre Knie zitterten. »Ich fahre jetzt besser.«
Er nickte und ließ sie los. »Schade.«
Sie schloss den Wagen auf.
»Katrin?«
Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um.
»Du bist mir nicht böse, oder?«
»Nein, natürlich nicht.« Sie stieg ein, froh, endlich zu sitzen, denn ihren Beinen traute sie nicht.
»Dann ist es ja gut.« Er beugte sich in den Wagen. »Ich lasse dich wissen, wenn es etwas Neues gibt. Von den Ermittlungen, meine ich.«
»Ja. Danke.« Katrin besann sich. Sie hatten den ganzen Abend nicht über die Mumie gesprochen. »Habt ihr denn noch gar keinen Ermittlungsansatz?«
»Doch. Vor vier Jahrzehnten ist ein Mann in der Gegend verschwunden, er war auch schwarz.«
»Ich weiß.«
Er grinste. »Dann weißt du auch, dass diese Woche eine schwarze Frau dort verunglückt ist, nehme ich an?«
Katrin nickte. »Ihr glaubt an einen Zusammenhang?«
Micha hob die Schultern. »Wir glauben nicht, wir wissen, dass es einen Zusammenhang gibt. Zumindest zwischen der Frau und dem Mann. Sie ist seine Enkelin.«
13
Samstag, 19. Mai
Tom war in die Eifel gefahren. Ein Treffen mit den alten Kumpeln. Für wie blöd hielt er sie eigentlich? Er war nie zu irgendwelchen Treffen gefahren, in all den Jahren nicht. Da war irgendwas anderes im Busch. Eine Frau war es nicht, so viel stand fest. Er hatte sich nicht einmal rasiert, und das Hemd, das er angezogen hatte, war nicht gerade sein bestes. Vielleicht hatte er die guten Sachen ja in der Reisetasche verstaut, die er auf den Rücksitz geworfen hatte? Das schmuddelige Outfit konnte eine Tarnung sein, um sie in Sicherheit zu wiegen.
Sie starrte auf das ungemachte Bett. Schon länger hatte sie den Verdacht, dass es da eine andere gab. Bisher hatte sie einfach die Augen davor verschlossen. Die Frau war gekommen und würde auch wieder gehen, so wie all die anderen vor ihr. Doch bisher war er für keine über Nacht weggeblieben. Das war neu, und es machte ihr Angst.
Sie ließ das Nachthemd fallen und stellte sich vor den Spiegel. Ihre Brüste hingen schlaff herunter, die Haut im Dekolleté war faltig, unter den Augen wölbten sich Tränensäcke, die sie müde und alt aussehen ließen. Wo war das junge Mädchen geblieben, nach dem die Männer sich umgedreht hatten? War es nicht gestern noch dagewesen?
Sie strich über ihre Haut, die Erinnerung an seine Berührung fuhr in sie wie ein Blitz. Er hatte ihren Namen gemurmelt, damals an jenem Nachmittag auf der Lichtung, wieder und wieder.
»Ja«, hatte sie geantwortet. »Ja, ja.«
Er hatte seine Hand unter ihre Bluse geschoben, abrupt, wie von einer unvermittelten Gier gepackt. Sie hatte die Knöpfe öffnen wollen für ihn, doch sie kam nicht mehr dazu. Sie hörte das Reißen des Stoffs, dann sein Stöhnen, als er seine rauen Hände auf ihre nackten Brüste
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