Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
das Feld. Anna wusste nicht, wer von beiden ihn ausstieß. Das Dreschwerk schluckte die ineinander verschlungenen Körper, zermalmte sie und spuckte die Einzelteile aus, Hände, Füße, Arme, Beine, alles durcheinander. Erst als das letzte Körperteil auf dem blutdurchtränkten Feld lag, gab die Maschine Ruhe.
Abrupt stand Anna auf und legte das Foto zurück in den Karton. Erst der schwarze Mann und jetzt die schwarze Frau. War sie die Tochter, die er hier gesucht hatte? Anna schüttelte den Kopf. Unsinn. Sie blickte die Straße hinauf, zum anderen Ende, wo, unsichtbar für sie, der Grauweilerhof lag. Der Dämon, der schwarze Dämon. Er hatte die beiden Fremden geschickt, um Unheil zu säen. Und er hatte reiche Ernte eingeholt.
12
»Es wäre besser für Sie, wenn Sie endlich die Wahrheit erzählen würden.« Der Polizist mit dem seltsamen Namen Krippenbeck legte seinen Kuli auf dem Tisch ab.
Mäder schnitt eine Grimasse. Der Satz klang wie aus einem schlechten Film. Außerdem hatte dieser Bulle ihn jetzt schon zum dritten Mal heruntergeleiert. Fiel dem nichts Besseres ein? Die hatten nichts gegen ihn in der Hand, das war es. Er unterdrückte ein Grinsen. »Ich habe alles gesagt, was ich weiß. Aber ich kann es ja noch einmal für Sie wiederholen: Natürlich kenne ich den Wagen, er gehört schließlich meinem alten Kumpel Klaus. Natürlich sind meine Fingerabdrücke überall da drin. Aber ich habe die Kiste seit Ewigkeiten nicht gesehen, ich wusste nicht einmal, ob Klaus sie noch hat. Und dass sie in meinem Holzschuppen gelandet ist, davon hatte ich keine Ahnung.«
»Ihr Kumpel Klaus hat uns etwas anderes erzählt. Er sagt, Sie hätten sich den Wagen ausgeliehen, ihm aber nicht gesagt, wozu Sie ihn brauchen.«
»Ach ja?« Mäder verschränkte die Arme. Erst hatte er sich geärgert, als er erfahren hatte, dass Klaus gequatscht hatte, doch inzwischen war ihm aufgefallen, dass es so für sie beide am besten war. Es brachte die Bullen nämlich in ein echtes Dilemma, wenn jeder den anderen beschuldigte und sie beiden nichts nachweisen konnten.
»Angeblich wollte Herr Herrmanns Ihnen den Wagen erst nicht leihen, weil er ja nicht angemeldet ist. Aber Sie hätten ihm versichert, dass Sie nur über Feldwege fahren würden, und auch nur auf Ihrem eigenen Grundstück. Um etwas zu transportieren. Was wollten Sie denn transportieren, Herr Mäder?«, fragte der gegelte Herr Krippenbeck.
»Gar nichts. Ich sagte doch schon, Klaus lügt. Ich hab mir den Wagen nicht ausgeliehen.«
Krippenbeck beugte sich vor. »Eine Frau ist lebensfährlich verletzt worden. Sie liegt im Koma.«
Na, Gott sei Dank, dachte Mäder. So konnte sie wenigstens nicht quatschen. Allerdings konnte er es nicht riskieren, ihr für immer das Maul zu stopfen, falls sie aufwachte, selbst wenn die Bullen ihn irgendwann wieder laufen ließen. Und Klaus sollte auch besser die Finger von ihr lassen. Mäder presste die Lippen zusammen. Falls es zum Äußersten kam, war Thomas an der Reihe. Er hing schließlich genauso mit drin.
»Es geht um gefährliche Körperverletzung«, beharrte Krippenbeck. »Und um unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Vielleicht sogar um versuchten Mord. Das ist kein Kavaliersdelikt, Herr Mäder.«
Wollte der Kerl ihn etwa damit zum Reden bringen? Indem er ihm klarmachte, wie viele Jahre Knast auf ihn warteten? Wo hatte der denn Verhörtechniken gelernt? Etwa im Fernsehen? Mäder lehnte sich zurück. »Ich habe alles gesagt.«
Krippenbeck sah ihn lange schweigend an. Dann klappte er die Akte zu. »Gut, Sie können gehen.«
Mäder kippte fast vom Stuhl vor Überraschung. »Was? Einfach so?«
»Vorerst. Ich kann Sie leider nicht länger festhalten.« Krippenbeck stand auf. »Aber halten Sie sich zu unserer Verfügung.«
Mäder marschierte zur Tür.
Hinter ihm räusperte sich der Gelkopf. »Ach, Herr Mäder?«
Er drehte sich um. »Ist noch was?«
»Ich weiß, dass Sie etwas mit dem Unfall zu tun haben. Und ich werde es beweisen.« Er hielt sich Zeige- und Mittelfinger vor die Augen und deutete dann damit auf Mäder. Er würde ihn im Blick behalten.
*
Zum ersten Mal seit Jahren hatte Katrin länger als fünf Minuten gebraucht, um zu entscheiden, was sie anzog. Und das lag nicht nur daran, dass sie so wenige Sachen mitgebracht hatte in die Eifel, nämlich lediglich das Kostüm für die Beerdigung und einige Freizeitklamotten. Sie hatte sogar überlegt, sich noch schnell etwas zu kaufen, die Idee dann aber wieder verworfen.
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