Schwanenschmaus im Porterhouse
schändliche Angelegenheit verantwortlich. Seine Ernennung war ein schwerer Fehler. Er hat dem Renommee des Colleges irreparablen Schaden zugefügt.«
Der Obertutor starrte aus dem Fenster auf den Schaden, der dem Turm zugefügt worden war. Seine Animosität gegen den Dekan – ein Ersatz für die aufgelösten Bindungen seiner Jugend – schwand immer mehr. Ganz gleich, welche Fehler der Dekan haben mochte – und der Obertutor hatte sie im Laufe der Jahre minuziös aufgelistet –, niemand konnte ihm vorwerfen, ein Intellektueller zu sein. Gemeinsam, wenn auch nicht unisono, hatten sie Porterhouse aus dem Fahrwasser der akademischen Verlockungen gelenkt, in das die anderen Colleges in Cambridge geraten waren, und die Integrität der Unwissenheit gepflegt, die den Porterhouse-Männern das nötige Selbstbewußtsein gab, um mit der Komplexität des Lebens fertigzuwerden, und das Männern mit einem verfeinerteren Sensorium offensichtlich fehlte. Anders als der Dekan, dessen mangelnde Intelligenz natürlich und ungezwungen war, hatte der Obertutor einmal einen Verstand besessen, und nur durch strikteste Selbstdisziplin war es ihm gelungen, im Interesse des Collegegeistes seine Gelehrsamkeit zu unterdrücken. Er hatte eine intellektuelle Entscheidung getroffen, die auf seiner Überzeugung beruhte, daß ein wenig Wissen gefährlich sei, eine Menge jedoch tödlich. Der Schaden, den Zipsers Forschungen am Turm angerichtet hatten, bestätigten ihn in diesem Glauben. »Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen«, sagte der Obertutor und beendete seine Betrachtungen über die Gefahren des Intellektualismus, »daß es möglich sein könnte, aus der Affäre um Carringtons Sendung und den Rausschmiß Skullions einen Nutzen zu ziehen?«
Der Dekan gestand, er habe gehofft, die Sache würde den Rektor schwächen. »Doch dafür ist es jetzt zu spät«, sagte er. »Wir wurden der Lächerlichkeit preisgegeben, wir alle. Es mag ja Collegepolitik sein, Narren mit Freuden zu ertragen, doch leider versteht die Öffentlichkeit unter Hochschulbildung etwas anderes.«
Der Obertutor schüttelte den Kopf. »Meiner Meinung nach übertreiben Sie den Pessimismus«, sagte er. »Ich interpretiere die Lage ganz anders. In gewisser Hinsicht sind wir im Vorteil. Zunächst einmal haben wir Skullion.« Der Dekan wollte schon protestieren, doch der Obertutor hob die Hand. »Hören Sie mich zu Ende an, Dekan, hören Sie mir zu. Ganz gleich, wie lächerlich Freund Carrington uns gemacht haben mag, Skullion hinterließ einen ungemein positiven Eindruck.«
»Auf unsere Kosten«, gab der Dekan zu bedenken.
»Zweifellos, aber Tatsache bleibt, daß die Öffentlichkeit ihm ihre Sympathie schenkt. Nehmen wir einmal an, daß wir – und mit wir meine ich den Collegerat, alle außer dem Rektor – gemeinsam die Wiedereinstellung Skullions fordern. Natürlich würde Sir Godber sich weigern, und es würde bekannt, daß er sich einem solchen Vorschlag widersetzt. Dann sähe man in uns die Fürsprecher des kleinen Mannes, und der Rektor befände sich in einer überaus verzwickten Lage. Wenn wir außerdem vernünftige Argumente für unsere Zulassungsbedingungen anführen ...«
»Völlig unmöglich«, unterbrach der Dekan. »Keiner wird uns ...«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte der Obertutor. »Für die Zulassung von Kandidaten ohne angemessene Qualifikationen lassen sich schlagende Argumente anführen. Wir stellen ein natürliches Ventil für unbegabte Jugendliche dar. Diese notwendige Funktion erfüllt kein anderes College. Nur die Klugen kommen nach King’s oder Trinity. New Hall hat zwar auch, gelinde gesagt, merkwürdige Aufnahmebedingungen, aber das ist ein Frauencollege.«
Der Dekan rümpfte geringschätzig die Nase. »Ganz recht«, sagte der Obertutor. »Worauf ich hinaus will: Ein geschickt formulierter Appell zugunsten der intellektuell Minderbemittelten könnte große öffentliche Unterstützung finden. Dazu unsere Forderung nach Wiedereinstellung Skullions, und schon könnten wir eine scheinbare Niederlage in einen Sieg verwandeln.« Der Obertutor holte die Karaffe und schenkte Sherry nach, während der Dekan über seine Worte nachdachte.
»Da könnte etwas dran sein«, gestand er. »Ich fand es schon immer hochgradig ungerecht, daß nur die intelligente Minderheit von einer Hochschulbildung profitieren sollte.«
»Meine Rede«, sagte der Obertutor. »Wir sind nicht länger ein College der Privilegierten, sondern werden zum College der
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