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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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seit ihr jemand das Kompliment gemacht hatte, sie attraktiv zu finden. Zipsers unbeholfene Annäherungsversuche waren ihr keineswegs entgangen. Daß er ihr von einem Zimmer ins andere folgte, während sie arbeitete, und den Blick kaum von ihr wandte, war zu offensichtlich, um nicht aufzufallen. »Der arme Junge vermißt seine Mutti«, hatte sie zuerst gedacht und Zipsers Eigenbrötelei als Zeichen seines Heimwehs gewertet. Doch sein jüngstes Verhalten ließ auf weniger entlegene Gründe für sein Interesse an ihr schließen. Die Phantasie der Aufwartefrau ignorierte das Wetter und kroch schwerfällig zu Liebesdingen weiter. »Sei nicht albern«, sagte sie sich. »Was soll er an dir schon finden?« Doch der Gedanke blieb, und so paßte sich Mrs. Biggs’ Anstandsgefühl langsam an die unpassende Lage an. Sie hatte begonnen, sich entsprechend zu kleiden, mehr auf ihr Äußeres zu achten und sogar, während sie von einem Zimmer zum anderen und von einem Bett zum anderen ging, sich ein wenig ihren Tagträumen hinzugeben. Der Vorfall in der Dienerkammer hatte ihre angenehmsten Vermutungen bestätigt. »Was sagt man dazu«, sinnierte sie, »und dann noch so ein netter Bursche. Wer hätte das gedacht?« Sie sah in den Spiegel und ordnete mit Wurstfingern ihr Haar.
    Um Viertel nach neun nahm Zipser im Friseurstuhl Platz. »Bitte nur stutzen«, sagte er dem Friseur. Der Mann musterte skeptisch Zipsers Kopf. »Im Nacken und an den Seiten hübsch kurz wäre Ihnen wohl nicht recht, wie?« erkundigte er sich traurig. »Nur stutzen, danke«, teilte Zipser ihm mit. Der Friseur stopfte ihm den Umhang in den Kragen. »Verstehe nicht, wieso sich einige von euch jungen Burschen überhaupt die Haare schneiden lassen«, sagte er. »Ihr wollt uns anscheinend unbedingt arbeitslos machen.«
    »Sie haben bestimmt jede Menge zu tun«, sagte Zipser. Die Schere des Friseurs klapperte eifrig an seinen Ohren herum. Zipser starrte sein Ebenbild im Spiegel an und wunderte sich wieder einmal über den Unterschied zwischen seinem unschuldigen Aussehen und der in ihm brodelnden schrecklichen Leidenschaft. Seine Augen wanderten seitwärts zu den Flaschenreihen: Eau de Portugal, Dr. Linthrop’s Schuppenmixtur, Vitalis, ein Töpfchen mit Pomade. Wer um alles in der Welt benutzte Pomade? Hinter ihm plapperte der Friseur über Fußball, doch Zipser hörte nicht zu. Er beäugte den Glasschrank zu seiner Linken, in dessen einer Ecke eine Schachtel an den Grund seiner Anwesenheit erinnerte. Er konnte den Kopf nicht bewegen und war sich daher nicht sicher, was die Schachtel enthielt, doch sie sah nach der richtigen Sorte aus. Als der Mann endlich vortrat, um nach der Haarschneidemaschine zu greifen, drehte Zipser den Kopf zur Seite und erkannte, daß er mit völlig deplaziertem Interesse eine Schachtel Rasierklingen angestiert hatte. Er drehte den Kopf noch weiter herum und suchte die Regale ab. Rasiercremes, Rasiergeräte, Rasierwässer, Kämme, alles war im Überfluß vorhanden, aber nicht ein einziger Karton mit Präservativen. Zipser blieb wie in Trance sitzen, während die Haarschneidemaschine in seinem Nacken surrte. Irgendwo mußten sie die vermaledeiten Dinger doch aufbewahren. Jeder Friseur hatte so was. Sein Gesicht im Spiegel nahm einen neuen unsicheren Ausdruck an. Als der Friseur endlich fertig war, seinen Nacken puderte und mit einem Handspiegel hinter ihm herumhantierte, war Zipser nicht in der Stimmung, das Ergebnis kritisch zu würdigen. Er stand auf und winkte die Bürste mit einer ungeduldigen Handbewegung fort.
    »Das macht dann dreißig Pence, Sir«, sagte der Friseur und schrieb eine Quittung aus. Zipser kramte in seiner Tasche nach dem Geld. »Darf es sonst noch was sein?« Das war der Augenblick, auf den er gewartet hatte, die unverblümte Aufforderung. Das »sonst noch was« des Friseurs deckte nur allzu wörtlich eine ganze Palette von Sünden ab. Im Falle Zipsers war dieser Ausdruck hoffnungslos unzulänglich, um nicht zu sagen irreführend.
    »Ich hätte gern fünf Päckchen Fromms«, bellte Zipser mit erstickter Stimme.
    »Damit kann ich Ihnen leider nicht dienen«, sagte der Mann. »Vermieter ist katholisch. Wir dürfen keine führen, das steht so im Mietvertrag.«
    Zipser zahlte und trat auf die Straße, sich selbst verfluchend, daß er nicht im Schaufenster nachgesehen hatte, ob dort welche auslagen. Er ging in den Rose Crescent und stierte in die Drogerie, doch der Laden war voller Frauen. Er versuchte es noch in drei anderen

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