Schwanenschmaus im Porterhouse
aufnehmen.« Er schwieg, um seine Worte wirken zu lassen. Als der Schatzmeister nicht mehr auf seinem Stuhl hin und her rutschte, fuhr er fort: »Das ist mein erster Punkt. Als zweites kündige ich an, daß dieses College mit Beginn des neuen akademischen Jahres zu einer koedukativen Einrichtung wird. Jawohl, Gentlemen, ab dem kommenden Jahr werden Frauen in Porterhouse wohnen.« Ein kollektiver Schreckenslaut, fast ein schockiertes Rülpsen, entrang sich den Fellows. Der Dekan begrub sein Gesicht in beiden Händen, und der Obertutor umklammerte zur Beruhigung mit beiden Händen die Tischkante. Nur der Kaplan meldete sich zu Wort. »Das habe ich gehört«, brüllte er mit wie nach einer göttlichen Offenbarung strahlendem Gesicht, »ich hab’s gehört. Tolle Neuigkeit. Kam auch keinen Augenblick zu früh.« Dann hüllte er sich wieder in Schweigen. Der Rektor strahlte. »Ich nehme Ihre Zustimmung dankbar entgegen, Herr Kaplan«, sagte er. »Es tut gut zu wissen, daß ich von so unerwarteter Seite Unterstützung finde. Drittens ...«
»Ich melde Protest an«, rief der Obertutor, der sich halb erhoben hatte. Sir Godber schnitt ihm das Wort ab. »Später«, fuhr er ihn an, woraufhin sich der Obertutor wieder auf seinen Stuhl fallen ließ. »Drittens, der Brauch, das Essen im Speisesaal einzunehmen, wird aufgegeben. Im Speisesaal wird durch eine externe Firma eine Kantine auf Selbstbedienungsbasis eingerichtet. Der High Table wird abgeschafft. Sämtliche Elemente der akademischen Zweiklassengesellschaft werden verschwinden. Bitte, Dekan ...?«
Doch der Dekan war sprachlos. Mit infolge eines Blutstaus aschfahlem Gesicht hatte er zu protestieren begonnen, war aber auf seinem Stuhl zusammengeklappt. Der Obertutor eilte an seine Seite, während der Kaplan, der immer erfaßte, welche Möglichkeiten ein angeschlagenes Publikum bot, dem bewußtlosen Dekan tröstende Worte ins Ohr gröhlte. Nur der Rektor blieb unbeeindruckt.
»Hoffentlich nicht schon wieder ein Porterhouse Blue«, sagte er vernehmlich zum Schatzmeister und schaute mit berechnender Gleichgültigkeit auf seine Uhr. Dieses offensichtliche Desinteresse an seinem Ableben wirkte auf den Dekan stimulierend. Sein Gesicht entfärbte sich, die Atmung rasselte weniger stark. Er öffnete die Augen und warf dem Rektor am anderen Endes des Tisches einen haßerfüllten Blick zu.
»Wie ich soeben sagte«, nahm Sir Godber den Faden wieder auf, »die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen werden Porterhouse auf einen Schlag umgestalten.« Er machte eine Pause und lächelte darüber, wie treffend diese Formulierung war. Die Fellows glotzten angesichts dieser erneuten Taktlosigkeit. Sogar der wohlwollende Kaplan, taub für die Bösartigkeit dieser Welt, war von der Kaltblütigkeit des Rektors entsetzt.
»Porterhouse wird sich den ihm gebührenden Platz unter den fortschrittlichsten Colleges zurückerobern«, fuhr der Rektor nun in deutlich politischer Sprechweise fort. »Schluß damit, daß wir, durch obsolete, antiquierte Traditionen und Klassenvorurteile, durch die Beschränkungen der Vergangenheit und den Zynismus der Gegenwart gehemmt, des Weges stolpern! Vom Glauben an die Zukunft beflügelt, werden wir uns des in uns gesetzten großen Vertrauens würdig erweisen.« Er setzte sich, durch seinen kurzen Ausbruch von Eloquenz beflügelt. Es war klar, daß außer ihm keiner der Anwesenden seine Begeisterung für die Zukunft teilte. Als schließlich jemand das Wort ergriff, war es der Schatzmeister.
»Bei dieser, ähem, Umgestaltung scheint es das eine oder andere Problem zu geben«, gab er zu bedenken. »Keine unüberwindlichen, woher denn, aber sie sollten dennoch nicht unerwähnt bleiben, bevor wir alle zu enthusiastisch werden.« Der Rektor tauchte wieder aus seinen Träumen auf. »Als da wären?« fragte er kurz angebunden.
Der Schatzmeister schürzte die Lippen. »Ganz abgesehen on den vorhersehbaren Schwierigkeiten bei dem Versuch, diese, ähem, Gesetzgebung vom Rat genehmigt zu bekommen – wobei ich, Sie verstehen, den Begriff mit Bedacht verwende – bleibt die Frage der Finanzierung zu bedenken. Wir sind kein wohlhabendes College ...« Er zögerte. Der Rektor hatte eine Augenbraue hochgezogen.
»Dieses Argument ist mir durchaus nicht neu«, sagte er weltmännisch. »Während einer langen Karriere in Regierungsämtern kam es mir zu oft zu Ohren, als daß ich restlos überzeugt wäre, der Einwand der Mittellosigkeit sei so ernstzunehmen, wie er sich anhört. Es sind
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