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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Geschäften, doch die waren entweder voller Hausfrauen, oder das Personal bestand aus jungen Verkäuferinnen. Schließlich betrat er einen Friseurladen in der Sidney Street, dessen Auslagen tolerant genug aussahen. Zwei Stühle waren besetzt, so daß Zipser unschlüssig am Eingang stehenblieb und darauf wartete, daß der Friseur sich um ihn kümmerte. Während er dastand, öffnete sich die Tür hinter ihm, und ein neuer Kunde kam herein. Zipser trat zur Seite und sah plötzlich Mr. Turton, seinem Doktorvater, ins Gesicht. »Ah, Zipser, Sie wollen sich wohl die Haare schneiden lassen?« Zipser kam diese Frage übertrieben neugierig vor. Es drängte ihn, diesem ekelhaften Menschen zu sagen, er solle sich gefälligst um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Statt dessen nickte er stumm und setzte sich. »Der nächste«, sagte der Friseur.
    Zipser täuschte Höflichkeit vor. »Möchten Sie nicht ...?« fragte er Mr. Turton.
    »Bei Ihnen besteht ein dringenderes Bedürfnis als bei mir, mein Lieber«, sagte der Doktorvater, setzte sich hin und griff nach einem Titbits–Heft. Zum zweitenmal an diesem Morgen fand Zipser sich in einem Friseurstuhl wieder.
    »Wie soll’s denn sein?« wollte der Friseur wissen.
    »Nur stutzen«, sagte Zipser.
    Der Friseur breitete den Umhang über Zipsers Knie und stopfte ihn in seinen Kragen.
    »Nichts für ungut, Sir«, sagte er, »aber ich würde sagen, daß Ihre Haare heute schon einmal geschnitten wurden.« Zipser starrte in den Spiegel und sah, wie Mr. Turton aufschaute und sein eigenes Gesicht krebsrot anlief. »Durchaus nicht«, murmelte er. »Wie kommen Sie bloß auf die Idee?« Es war keine kluge Bemerkung, und Zipser bereute sie, noch ehe er fertig genuschelt hatte. »Tja«, antwortete der Friseur auf diese Infragestellung seiner Beobachtungsgabe, »zunächst einmal haben Sie immer noch Puder am Nacken.«
    Zipser erwiderte kurz, er habe ein Bad genommen und danach Talkumpuder benutzt.
    »Na klar«, meinte der Friseur sarkastisch, »und all die kleinen abgeschnittenen Haarenden haben Sie bestimmt ...«
    »Hören Sie«, sagte Zipser wohl wissend, daß Mr. Turton sich noch nicht wieder um sein Titbits kümmerte, sondern interessiert zuhörte, »wenn Sie meine Haare nicht schneiden wollen ...« Das Surren der Haarschneidemaschine unterbrach sein Protestieren. Wütend starrte Zipser sein Ebenbild im Spiegel an und fragte sich, weshalb er immer wieder in solche peinlichen Situationen geriet. Mr. Turton beäugte seinen Hinterkopf mit frischem Interesse.
    »Wirklich«, sagte der Friseur und legte die Haarschneidemaschine beiseite, »manche Leute lassen sich richtig gern die Haare schneiden.« Er blinzelte Mr. Turton zu, was Zipser im Spiegel sah. Die Schere klapperte um seine Ohren herum, und Zipser schloß die Augen, um dem Tadel zu entgehen, der ihm aus dem Spiegel entgegenblickte.
    Anscheinend entwickelte sich alles, was er zur Zeit tat, zu einer Katastrophe. Warum in Gottes Namen mußte er sich in eine massige Aufwartefrau verlieben? Warum konnte er nicht einfach seine Arbeit fortsetzen, in der Bibliothek sitzen und lesen, an seiner Dissertation schreiben und an den Treffen des Cambridger Verbandes zur Förderung der Vereinten Nationen teilnehmen?
    »Hatte mal ’n Kunden«, fuhr der Friseur erbarmungslos fort, »der ließ sich dreimal wöchentlich die Haare schneiden, montags, mittwochs und freitags. Konnte man die Uhr nach stellen. Ich fragte ihn mal, und zwar als das schon ein paar Jahre so ging, da sagte ich zu ihm: ›Sagen Sie, Mr. Hattersley, warum lassen Sie sich so oft die Haare schneiden?‹ Wissen Sie, was der geantwortet hat? Es sei der einzige Ort, wo er nachdenken könne. Im Friseurstuhl kämen ihm die besten Ideen. Verrückt, wenn man’s recht bedenkt. Da stehe ich den ganzen Tag hier, rasiere und schneide munter drauflos, und direkt vor mir, man könnte sagen: unter meinen Händen, läuft ohne mein Wissen dieses ganze Denken ab. Verstehen Sie, ich muß im Laufe der Zeit die Haare auf über hunderttausend Köpfen geschnitten haben. Seit fünfundzwanzig Jahren schneide ich jetzt Haare, und das sind eine Menge Kunden. Ist doch wohl klar, daß da einige ziemlich verkorkste Gedanken bei waren. Mörder und Sexbesessene, würde ich meinen, also ehrlich, bei den vielen Leuten? Ist doch wohl klar.«
    Zipser sank in sich zusammen. Mr. Turtons Interesse an Titbits war inzwischen völlig dahin.
    »Interessante Theorie«, sagte er aufmunternd. »Statistisch gesehen haben Sie wohl

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