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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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»Sie meinen damit den neuen Rektor?« erkundigte sich Carrington.
    »Ihn und den Rest der Bande. Frauen im College. Kantine mit Selbstbedienung. Und wo bleiben wir, die wir dem College unser Leben lang gedient haben? Wie Hunde auf die Straße geschickt.« Skullion trank sein Bier und knallte das Glas auf den Tisch. Carrington schwieg. Vor lauter Interesse machte er sich fast unsichtbar, wie ein Raubtier, das seine Beute entdeckt hat. Skullion zündete die Pfeife an und schmauchte vor sich hin. »Fünfundvierzig Jahre lang bin ich jetzt Pförtner gewesen«, sagte er dann. »Ein ganzes Leben lang, meinen Sie nicht auch?« Carrington nickte feierlich. »Ich saß im Häuschen und sah der Welt zu. Als ich ein kleiner Junge war, warteten wir immer an der katholischen Kirche, bis die Droschken der jungen Herren vom Bahnhof kamen. ›Wir tragen Ihnen die Koffer, Sir‹, haben wir gerufen, und dann sind wir bis zum College neben den Pferden hergelaufen und haben für Sixpence die Koffer auf ihre Zimmer getragen. So haben wir uns damals ein paar Kröten verdient. Sind eine Meile gelaufen und haben die Koffer ins College geschleppt. Für Sixpence.« Bei dem Gedanken lächelte Skullion, und Carrington schien es einen Moment lang so, als sei seine Intensität verlorengegangen. Doch da war noch mehr als nur die Erinnerung: ein Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, das Carrington spürte und das in gewisser Weise seinen eigenen Empfindungen entsprach. Aber was empfand er überhaupt? Das ließ sich nur schwer definieren; er konnte nicht genau sagen, was ihn an der dezenten Geringschätzung des Dekans so abgestoßen hatte, abgesehen von der widerwärtigen Arroganz, mit der dieser ihn von oben herab gemustert hatte, als sei er eine sich auf einem Objektträger windende Mikrobe. Carrington gestand sich zwar ein, daß es ihm an geistiger Tauglichkeit fehle, doch sein Zorn blieb. In seinen Augen war Skullion ein Verbündeter.
    »Und jetzt hat man Sie rausgeworfen?« fragte er. »Wer sagt das?« fragte Skullion aggressiv. Carrington suchte nach Ausflüchten. »Ich dachte, Sie hätten irgendwas davon gesagt, daß sie entlassen werden sollen«, murmelte er. »Dazu haben sie kein Recht«, sagte Skullion. Es klang fast wie ein Selbstgespräch. »Früher hätten sie so was nie getan.«
    »Ich glaube mich erinnern zu können, daß das College zu meiner Zeit unter den Bediensteten in recht gutem Ruf stand.« Skullion betrachtete ihn mit neuem Respekt. »Jawohl, Sir«, sagte er. »Porterhouse war bekannt für seine Fairneß.«
    »Das vermutete ich eben.« Carrington sprach in der vornehmen Art, die Skullion offensichtlich von ihm erwartete. »Nicht im Traum hätte der alte Lord Wurford sich erlaubt, dem Oberpförtner den Laufpaß zu geben«, fuhr Skullion fort. »Hat mir bei seinem Tod tausend Pfund hinterlassen. Hab’ ich dem Schatzmeister angeboten, jawohl, um dem College zu helfen. Hat er abgelehnt. Ist das noch zu fassen? Hat mein Angebot abgelehnt.«
    »Sie haben ihm tausend Pfund angeboten, um dem College zu helfen?« wiederholte Carrington.
    Skullion nickte. »Genauso war’s. ›Oh nein‹, hat er gesagt, ›würde mir nicht im Traum einfallen‹, und im nächsten Satz kündigt er mir. Ist doch nicht zu fassen, oder?« Ob etwas faßbar war, kümmerte Carrington wenig.
    Hauptsache, die Story war gut.
    »Die Rhyder Street verkaufen sie auch«, fuhr Skullion fort. »Die Rhyder Street?«
    »Wo die College-Bediensteten wohnen. Setzen uns alle auf die Straße.«
    »Die setzen Sie auf die Straße? Das dürfen sie nicht.«
    »Sie machen’s aber«, sagte Skullion. »Den Koch, den Chefgärtner, Arthur – uns alle.«
    Carrington trank sein Bier aus und bestellte noch zwei. Hier war der menschliche Faktor, nach dem er gesucht hatte, und gleichzeitig die Gewißheit, daß sein Besuch nicht vergebens gewesen war. Er hatte seine Story.

Kapitel 15
    Der Dekan lächelte. Er hatte den Tee mit Carrington genossen. Heutzutage bekam er viel zu selten Gelegenheit, sein Talent für Gehässigkeiten zu nutzen. »Wenn sich ein Mann richtig bewähren will, wirkt nichts so gut wie eine ordentliche Verunglimpfung«, dachte er, und dabei fiel ihm seine Zeit als Trainer der Rudermannschaft von Porterhouse wieder ein und die Beschimpfungen, mit denen er den Achter zum Sieg getrieben hatte. Und Carrington hatte die höhnischen Bemerkungen wortlos über sich ergehen lassen. Sie nagten weiter an ihm und würden ihm den nötigen Schwung geben. Er würde die

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