Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
Vampiren um Rene an, die nach wie vor Menschenblut tranken, oder das Blut verfeindeter Klans. Sie waren für ihn im Grunde nicht einmal Frauen gewesen, sondern Kriegerinnen. Mörderinnen, die ebenso skrupellos vorgegangen waren wie er, und eigentlich ihn töten wollten. Doch er war ihnen jedes Mal zuvorgekommen.
Aber diese Sache war anders. Diese Frau – dieses Mädchen – sie war kein Feind.
Er verließ hastig das Hotel. Im Moment wollte er weder Darion noch Grace begegnen. Sein Bruder und seine Anführerin würden Amalia an ihm riechen können. Ihren süßen Blutduft, der noch immer in seine Nase stieg und ihn an orangerote Freesien erinnerte.
„Ich bin ein elender Idiot.“ Wütend ging er zu seinem Wagen.
Eine Weile fuhr er ziellos durch die Innenstadt, dann schlug er eine bestimmte Richtung ein.
Es dauerte nicht lange, und er hatte den Wald erreicht. Er brauchte Auslauf und Einsamkeit zugleich. Genau das hoffte er hier zu finden. Den Wagen ließ er am Waldrand stehen, auf demselben Platz wie am Nachmittag. Er tauchte in die nächtliche Welt des Auwalds ein. Wind spielte durch die schwarzen Äste. Es knackte und raschelte in den Büschen. Überall um ihn war Leben. Jäger der Dunkelheit hatten sich auf Fährten gesetzt.
Über ihm ging der Mond auf.
Er musste einen Weg finden, ihr Leben zu retten.
Der Gedanke war einfach da. Ein Gedanke, wie er ihn seit Jahrhunderten nicht gehabt hatte. Er – Aurelius – wollte etwas für einen Menschen tun. Ihr Duft musste ihm den Verstand vernebelt haben. Dieser Wunsch war lächerlich. Er musste sie vergessen und sie endgültig aus seinem Kopf verbannen. Der Klan hatte Vorrang – immer.
Gehetzt rannte er durch den Wald, versuchte im Laufen seine Gedanken zu sortieren.
Plötzlich nahm er eine Fährte auf. Direkt hinter ihm war ein Geruch, der eine Bedrohung anzeigte. Sein Körper reagierte augenblicklich. Er fuhr gerade rechtzeitig herum.
Vor ihm schnellte eine zierliche Frauengestalt aus der Dunkelheit. Ihre Umrisse schimmerten silbern. Rote Augen glänzten feucht im Licht des Mondes.
„Aurelius!“ Ihre Stimme hatte einen stark französischen Akzent.
Werwölfen fiel es nicht so leicht, sich eine neue Sprache anzueignen, wie Vampiren. Selbst nach Jahrzehnten hatten sie noch Schwierigkeiten mit der Aussprache.
„Kamira“, zischte er zähnebleckend. „Was tust du hier?“
„Was denkst du denn?“, höhnte sie. „Ich folge ihrer Spur. Durch dich konnte ich sie finden. Dieses Blut erkennt man unter Tausenden. Ist sie in der Nähe?“
Das bleiche Gesicht der Werwölfin schimmerte hell wie Elfenbein. Quecksilberne Haare umflossen es wie Wellen.
Aurelius erkannte erst jetzt, dass er sich in dem Waldstück nahe dem Park befand, in dem Amalia erst vor wenigen Stunden fortgelaufen war. Sie standen unweit der Stelle, an der sie hinunter in den Graben stürzte und ihr Blut die Erde berührt hatte. Es ärgerte ihn, dass er sie unwissentlich zu dieser Stelle geführt hatte, denn der Geruch des getrockneten Blutes würde ihren Jagdtrieb weiter entfachen.
„Verschwinde, oder ich breche deinen Hals.“ Aurelius sagte es nüchtern. Er war unter seinen Feinden dafür bekannt, dass er seine Androhungen ernst meinte. Eine besondere Betonung war nicht notwendig.
Er sah, wie Kamira einen Gegenstand unter dem weiten Mantel hervorzog. Schneller als jeder Gedanke war er bei ihr. Er packte ihren Arm. Die Werwölfin hatte eine Pistole mit giftiger Spezialmunition gezogen, die ihn von innen her töten konnte. Er hatte keinerlei Waffen dabei, aber er brauchte auch keine. Er griff beide Arme und zerrte Kamira herum. Die Waffe fiel zu Boden.
Kamiras Fuß trat heftig gegen sein Bein. Sie war schnell. Aber er war schneller. Sie lieferten sich eine harte Abfolge von Tritten und Schlägen. Aurelius achtete darauf, die Werwölfin von der Pistole am Boden fortzutreiben. Er spannte seine Sinne an. Kamira war allein. Weitere Wölfe ihres Rudels roch er nicht. Vermutlich hatte sie seinen Wagen in der Innenstadt gesehen und unmittelbar die Verfolgung aufgenommen.
„Ganz schön mutig von dir, mich anzugreifen, Wölfchen“, zischte er. „Und das ohne deine Kavallerie.“
„Du hast Gabriel getötet!“, spie sie ihm hasserfüllt entgegen.
„Du erinnerst mich bei jeder Zusammenkunft daran“, spottete er, während sie aufeinander einschlugen. „Findest du nicht, dass du ein wenig zu nachtragend bist?“
Er stieß Kamira so heftig von sich, dass sie zu Boden geschleudert wurde. Sie
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