Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
verstummten. Einer näherte sich ihnen mit lauten Schritten. Er klang nicht älter als siebzehn Jahre.
„Bringst du uns ein Geschenk, Bernadette?“ Er berührte Maries Brust. Sie wich vor seinen Fingern zurück.
„Verschwinde, du Bengel! Diese hier ist zu Gracia bestellt. Willst du, dass die Herrin deinen Gestank an ihr erkennt?“
Der Junge entfernte sich ohne ein weiteres Wort.
Marie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Sie wollte weinen, schreien, fortlaufen, aber sie blieb ganz ruhig. Schritt für Schritt ging sie durch dieses verrückte Haus. Diese Brutstätte des Teufels. Sie hatte Geschichten von einem Mann gehört, der in Paris gelebt hatte. Einem Marquis, der angeblich genau solche Spiele mit seinen Mägden spielen sollte, doch das hatte sie für Gerüchte gehalten, für die Übertreibungen von klatschsüchtigen Frauen, denen langweilig war. Niemand tat solche Sachen, davon war sie überzeugt gewesen. Nun erlebte sie am eigenen Leib, was es hieß, die Sklavin einer Verrückten zu sein.
Sie sind alle wahnsinnig! Die Saat des Bösen!
Die vier Hände dirigierten sie weiter, eine Treppe hinauf. Zwei Mal stürzte Marie und schlug sich das Knie an. Die Fesseln an den Füßen ließen gerade genug Spielraum, die Stufen zu bewältigen. Marie weigerte sich, weiterzugehen. Die Mägde nahmen ihr die Augenbinde wieder ab, damit sie sich nicht erneut verletzte.
„Wenn du widerspenstig bist, bekommst du Schläge“, sagte die kleinere Magd mit besorgter Stimme. „Mach es dir nicht so schwer.“
Zögernd ging Marie weiter.
Als sie im ersten Stock ankamen, fühlte sie Tränen, die über ihre Wangen liefen. Sie konnte kaum mehr etwas sehen. Erst als sie in einem Raum stand, der so prächtig eingerichtet war, wie das Spielzimmer einer Königin, blinzelte sie, und erkannte, was sie umgab.
Vor ihr stand Gracia an einem Fenster. Mit leichten Schritten ging sie auf Marie zu. Ihr Blick wanderte hungrig über den nackten Körper und die Brust mit dem winzigen Schnitt.
„Nicht weinen, meine Liebe“, flüsterte sie und beugte sich vor. Ihr rubinroter Mund küsste die Tränen von Maries Wangen.
Marie wagte nicht, zu sprechen, oder sich zur Wehr zu setzen. Sie hatte jede Hoffnung verloren. Das hier war ihr Schicksal. Sie war dieser Frau und ihren Gespielen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Warum Gott ihr das antat, verstand sie nicht, aber seine Wege waren unergründlich.
Gracia leckte mit ihrer rauen Zunge auch die letzte Träne aus ihrem Gesicht fort. „Sag mir, wie es sich anfühlt, mir ausgeliefert zu sein? Nackt und gefesselt vor mir zu stehen?“
Marie fand keine Antwort. Sie senkte den Blick und sah betreten auf den weichen Teppich zu ihren Füßen.
Um sie her standen prunkvolle Möbel, ein Tisch mit einer schweren Vase, in der Rosen standen – Rosen, mitten im Winter. Woher Gracia sie wohl bekommen hatte? Sie mussten ein Vermögen gekostet haben.
Die tiefe Stimme ihrer Herrin verlangte ihre ganze Aufmerksamkeit.
„Marie … so heißt du doch, oder? In deinen Gedanken ist dieser Name. Und noch so vieles mehr. Ja, du hast Angst. Aber da ist auch Lust in dir. Ist es nicht so?“
Gracias Augen wurden schmal, ihr Blick stechend. Marie spürte instinktiv, dass sie dieses Mal antworten musste, wenn sie nicht wieder geschlagen werden wollte.
„Ja, Herrin“, hauchte sie.
Gracia lächelte besänftigt. Sie setzte sich in einen breiten Sessel, der mit grünem Brokat bespannt war. „Schön.“ Ihr Blick wanderte zu den beiden Mägden, die auf Knien an der Tür warteten. Sie wedelte nachlässig mit der Hand. „Ihr könnt gehen.“
Die beiden verschwanden wie Schatten.
„Sie haben es richtig gemacht“, sagte Gracia leise, aber mit einer deutlichen Schärfe in der Stimme. „Sie sind in meiner Gegenwart unmittelbar auf die Knie gegangen. Das erwarte ich in Zukunft auch von dir. Du magst Aurelius’ persönliches Spielzeug sein, aber ich wünsche, dass du niemals vergisst, wer die Herrin dieses Anwesens ist. Du bist in erster und letzter Instanz mein Besitz. Mein Gegenstand. Ich entscheide über Leben und Tod, deshalb solltest du aufpassen, und gut zuhören, wenn ich dir etwas sage.“
Marie nickte heftig.
„Brav so, mein kleines Spielzeug. Dann tue das, was die Mägde taten. Geh auf die Knie.“
Marie sank zu Boden.
„Und nun kriech hierher. Zu mir.“ Die Schwarzhaarige wies auf den Teppich vor ihrem Sessel.
Marie kroch auf allen Vieren näher. Ihr Herz schlug heftig. Sie spürte Scham, Furcht
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