Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
gar nicht mehr ablegen.“
Sie lächelten einander an. Amalia war noch immer benommen und sie musste mehrmals ein- und ausatmen, bis es besser wurde.
Sie fühlte das Halsband tatsächlich bei jedem Schritt. Ungewohnt eng lag es um ihren Hals und erinnerte sie an die Nacht, die vor ihr lag. Ob sie dieses Mal wirklich miteinander schlafen würden? Sie wollte hören, wie er klang, wenn er kam. Wollte sein Gesicht sehen, in seine Augen blicken und seine Bewegungen in sich fühlen.
Später, mahnte sie sich. Es war so einfach, sich in Träumereien zu verlieren.
Eng umschlungen standen sie in der Schlange am Eingang der Konzerthalle. Es dauerte eine Weile, bis sie hineingelangten. Obwohl die Halle ein Teil der Agra war und mit dieser verbunden, durfte man nur von außen hineingehen. Damit wurde eine Überfüllung ausgeschlossen und es gab eine weitere Kontrolle, bei der nicht nur auf das Bändchen, sondern auch auf Glasflaschen und Waffen geachtet wurde.
Die Ordner ließen sie passieren und sie tauchten in die Menschenmasse ein. Zum Glück war die Halle groß und höchstens zu vierzig Prozent ausgelastet. Sobald sie das Gedränge im Eingangsbereich hinter sich gelassen hatten, gab es mehr Platz.
„Grace und Darion warten hinten an den Ständen. Da schlagen sie ihr Lager auf.“
„Ihr Lager?“, fragte Amalia nach.
Er nickte. „Ein Deckenlager. Der Boden hier ist aus Beton und saukalt, da macht es schon was her, wenn man eine weiche Sitzgelegenheit hat.“
Amalia fand die Aussicht auf einen angenehmen Sitzplatz verlockend. Obwohl ihre Stiefel bequem waren, spürte sie die Strecke, die sie an diesem Tag zurückgelegt hatte.
Vor den T-Shirt-Ständen und dem Getränkestand gab es mehrere Deckenlager am Boden, die wie kleine Inseln zwischen den locker im Raum verteilten Menschengruppen lagen.
Aurelius entdeckte Darion und Grace schon eine geraume Zeit, bevor Amalia die beiden auf die Entfernung ausmachen konnte. Sie lagen eng umschlungen am Boden und hatten die Lippen am Hals des anderen vergraben. Als Grace den Kopf hob und sich hinsetzte, sah Amalia einen roten Tropfen von ihren Lippen laufen. Einen Moment glaubte sie, es wäre Blut, doch sie musste sich getäuscht haben. Vermutlich war es irgendein Saft, den Grace getrunken hatte.
„Aurelius! Amalia! Schön, dass ihr da seid. Setzt euch doch.“ Grace‘ Lächeln war strahlend.
Auch Darion setzte sich auf. Das Lager bestand aus drei Decken, die übereinandergelegt worden waren und etwa die Größe von Amalias Doppelbett zu Hause hatten.
Aurelius zog Amalia mit sich auf die Decke.
„Schicker Schmuck“, bemerkte Darion grinsend und wies auf Amalias Hals.
Sie spürte, wie heiß ihr Gesicht wurde. „Danke.“
Aurelius vergrub die Hand in ihren Haaren und zog leicht daran. Es tat nicht weh, aber es gab Amalia ein Kribbeln im Bauch und überzog ihren Oberkörper mit einer Gänsehaut.
Er machte kein Geheimnis daraus, wer hier der Herr war.
Es gefiel ihr. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie lieber der untergeordnete Part war, obwohl sie von anderen Frauen erfahren hatte, dass es oft genug passierte, dass Frauen nur am Anfang lieber die untergeordnete Rolle spielten. Waren sie erst länger dabei, und hatten sie ihre erste Scheu überwunden, machte es ihnen oft Spaß, die Rollen zu wechseln. Wichtig war, dass sie Vertrauen fanden und den richtigen Spielgefährten.
Einen Moment ertappte sich Amalia dabei, wie sie sich Aurelius vor sich am Boden vorstellte. Gefesselt und ihr ausgeliefert. Unterworfen. Es musste ein berauschendes Gefühl von Macht sein, einen so starken und schönen Mann hilflos zu sehen.
Der Zug an ihren Haaren kam so prompt, als habe er ihre Gedanken gelesen. Wieder küsste er sie. Es war ihr peinlich, da er es vor Darion und Grace tat, doch die beiden schienen sich nicht daran zu stören. Sie hatten wohl beide schon weit obszönere Dinge beobachtet.
In der Halle herrschte ein Dämmerlicht, das Aurelius‘ Hand auf ihrem Bauch unschuldig wirken ließ. Kaum einer sah zu ihnen her.
Auf der Bühne erklangen die ersten Töne. Die Lautstärke veränderte sich – anscheinend wurden letzte Feinabstimmungen in den Einstellungen vorgenommen.
Amalia sprang auf. „Das Konzert fängt gleich an!“ Die Band war eine ihrer Lieblingsbands, auch wenn ihre Songs noch nicht ganz ausgereift waren. Sie mochte die dunkelhaarige Sängerin mit der tiefen Stimme, die so lyrisch und zauberhaft zugleich war.
Aurelius sah zu ihr auf. „Geh ruhig schon vor, ich
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