Schwartz, S: Blutseelen 2: Aurelius
mit dem Blusenärmel über die Augen. „Ich ... ja, ich bin fertig.“ Sie ging zu Mai und gab ihr das Handy. „Bring es zurück, bevor jemand merkt, dass es fehlt.“
Mai steckte das Handy ein. „Ist alles in Ordnung?“
„Weißt du, wann Aurelius wiederkommt?“
„Nein. Da musst du Darion fragen.“
„Wo finde ich ihn?“
Mai sah sie misstrauisch an, stellte aber keine Fragen. „Ich bringe dich hin.“
„Nett, dass du mich beehrst.“ Darion ließ sich in einen Kingsize-Sessel fallen und schlug die Beine übereinander. Sein Appartement war doppelt so luxuriös ausgestattet wie das von Aurelius und stank nach Reichtum. Aber es besaß auch einen gewissen Humor. Unter anderem zeigte ein buntes Pop-Art-Bild das Tribunal der Vampire als Karikatur. Gracia sah darauf aus wie eine fette Seekuh, während Sybell als Schlange dargestellt war und Aurelius als Nilpferd.
„Ich will dich nicht lange stören. Wann kommt Aurelius zurück?“
„Ich nehme an, morgen Abend.“
Amalia schwindelte. Das war zu spät! „Wo ist er denn?“
„Er ist in Italien.“
„Italien“, echote Amalia. „Aber ... ich muss mit ihm reden. Hast du seine Nummer?“
„Er ist derzeit nicht zu erreichen. Wenn du ein Problem hast, musst du mit mir vorliebnehmen.“
Sie atmete heftig ein. Das ging nicht. Sie konnte sich Darion nicht anvertrauen. Er war zu unberechenbar. Schweigend starrte sie ihn an.
Darion stand auf und trat zu ihr. Er roch an ihrer Haut. „Ich tue eine ganze Menge für dich, Amalia. Du musst mich nur verstehen lassen, was Aurelius an dir findet. Bevor er dich kannte, kannte er keine Liebe. Nun ist er entflammt. Was machst du nur mit ihm, du kleine Hexe? Ist es dein Blut?“ Er blieb stehen und legte eine Hand an ihren Hals. „Sie schwärmen alle davon, weißt du? Von diesem Blut, das süßer als Freesien duftet, nach einer Speise, die so köstlich ist, dass es sie nicht geben kann. Besonders Perry ist davon fasziniert.“
Sie regte sich nicht. Er konnte ihr mit dieser Hand das Genick brechen. Zwischen ihm und ihr stand nichts außer seinem Anstand, und der war vermutlich nicht sonderlich ausgeprägt.
„Aurelius hat dir aufgetragen, mich zu beschützen.“
„Du lenkst ab. Ich rieche förmlich, dass du ein Problem hast. Du bist verzweifelt und duftest dabei so süß. Lass mich von dir trinken, und ich werde dir helfen.“
Amalia schüttelte den Kopf. Wenn er von ihr trank, war das ein größerer Verrat, als wenn sie mit ihm schlafen würde.
„Du willst Aurelius beweisen, dass ich es nicht wert bin, von ihm geliebt zu werden“, mutmaßte sie ins Blaue hinein.
Er trat einen Schritt zurück. „Du bist klug. Klug und schön. Und offensichtlich auch mutig. Aber du bist nicht stark genug, ein Leben an Aurelius' Seite zu führen. Du bist niemand, der in diesen Klan passt. Dafür hast du nicht genug zu bieten. Gracia und ich wollen dich nicht haben. Wenn du also ein Problem hast und mir nichts anbietest, dann ist es dein Problem. Und zwar deins allein.“ Er lächelte lieblich.
So einfach durfte sie sich nicht abspeisen lassen. Sie nahm ihren Mut zusammen. „Ich möchte das Anwesen verlassen. Ich will endlich wieder unter Menschen.“
Sein Lächeln verschwand. „Das kann ich nicht zulassen. Nicht einmal, wenn ich von dir trinken dürfte. Du stehst unter dem Schutz des Klans, und der kann draußen nicht gewährt werden.“
„Darion, bitte, ich ...“
Seine Augen glitzerten kalt. „Glaub mir, ich hätte wirklich nichts dagegen, wenn Rene dich in hundert Stücke zerreißt, aber noch wirst du gebraucht. Bedaure. Da ist nichts zu machen.“
Amalia sah ein, dass sie nichts erreichen konnte. Ihre Knie zitterten, und ihr war schlecht. Sie musste einen Weg finden, Kim zu retten. Sie musste einfach.
„Entschuldige, dass ich dich gestört habe.“ Sie wich zurück zur Tür. Darion hielt sie nicht auf. Sie glaubte, seinen Blick noch Minuten später auf ihrem Hals zu spüren, als sie bereits Aurelius' Appartement erreicht hatte, sich im Schlafzimmer auf das Bett warf und weinte, wie sie seit Jahren nicht mehr geweint hatte.
Amalia weinte, bis sie glaubte, keine Tränen mehr in sich zu haben. Sie streifte ihre Kleider ab und ging in das Schwimmbecken. Das warme Wasser umschmeichelte ihre Haut und tröstete sie. Was sollte sie tun? Sie durfte sich nicht zurückziehen und Kim ihrem Schicksal überlassen. Kontakt zu Aurelius herzustellen war unmöglich. Er würde zurück in Frankfurt sein, wenn alles zu spät war.
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