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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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die Füllung dieser Fleischbällchen gewürfelte Schweineschwarte eingerollt wird, die sich beim Dämpfen verflüssigt. Deshalb muß man beim Hineinbeißen so aufpassen, daß die Brühe nicht herausspritzt oder man sich die Zunge verbrennt.«
    Doch trotz dieses Kochbuchwissens hatte er den Tisch verkleckert, und sie brachte einen Lappen, um aufzuw i schen.
    Dann wechselte er das Thema. »Sie sind mir wirklich eine große Hilfe. Aber Sie sind Studentin, Weiße Wolke. Ich glaube nicht…«
    »Ich muß mir meine Studiengebühren verdienen. Me i ne Eltern sind beide arbeitslos. Ich muß arbeiten, und wenn nicht als klei ne Sekretärin für Sie, dann als K-Mädel im Dynasty Club oder anderswo …«
    »Nur jemand wie Gu kann sich einen solchen Job au s denken«, sagte Chen, während er sich ein Stück Rä u cheraal in den Mund schob. Der Fisch war knusprig und saftig zugleich.
    »Diese Erfindung kann er nicht für sich beanspr u chen«, erwiderte sie und sog die Brühe aus einem der zarten Bällchen. »Kleine Sekretärin oder xiaomi, diesen Ausdruck haben Sie doch sicher schon gehört. Jeder Neureiche muß eine kleine Sekretärin haben; wir sind ein Statussymbol, genau wie der Mercedes.«
    Die Unbekümmertheit, mit der sie sich dazu äußerte, überraschte ihn. Sie tat, als beträfe sie das alles nicht.
    »Inzwischen gibt es ein neues Betätigungsfeld, die s o genannte Leidenschaftsgefährtin. Neulich war eine gan z seitige Anzeige darüber in der Wenhui-Zeitung. Ich bra u che wohl nicht zu erklären, was es damit auf sich hat. Sie glauben gar nicht, welch hohe Qualifikationen dafür ve r langt werden. Universitätsabschluß ist Voraussetzung, außerdem die Fähigkeit zu intelligenter Konversation. Und man muß natürlich bei gesellschaftlichen Anlässen präsentabel sein – und im privaten Bereich.«
    »Ich fürchte, ich bin hoffnungslos altmodisch.«
    »Sie sind ein außergewöhnlicher Mensch.« Sie stand auf und verstaute die Reste im Kühlschrank. »Ich mache mich jetzt besser nützlich, damit Herr Gu auch etwas b e kommt für sein Geld.«
    »Ich habe eine neue Aufgabe für Sie: Könnten Sie di e se Wörter hier für mich nachschlagen? Das würde mir viel Arbeit ersparen. Es muß nicht sofort sein, Sie kö n nen das auch heute abend nach Ihrer Vorlesung machen.«
    »Sehr gut, da lerne ich gleich selber ein paar neue V o kabeln.«
    Das Telefon klingelte. Sofort griff sie wie eine rout i nierte Sekretärin zum Hörer. »Apartment Chen?«
    »Oh«, es folgte eine Pause. »Hier ist Hauptwachtme i ster Yu. Ich möchte mit Oberinspektor Chen sprechen.«
    »Einen Augenblick bitte.« Sie wandte sich an Chen und flüsterte ihm, die Muschel mit der Hand bedeckend, ins Ohr: »Hauptwachtmeister Yu. Möchten Sie mit ihm sprechen?«
    »Natürlich«, erwiderte Chen.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Chef«, sagte Yu mit einem Zögern in der Stimme.
    »Schießen Sie los, Yu, was kann ich für Sie tun?« Zu Weißer Wolke sagte er leise: »Sie können jetzt gehen. Ich rufe Sie morgen an.«
    »Das ist nicht nötig. Ich werde hier sein, um Ihnen Frühstück zu machen. Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen. Und vergessen Sie das Frü h stück.«
    »Sie haben Besuch?« fragte Yu vorsichtig.
    »Eine kleine Sekretärin«, erklärte Chen. »Ich arbeite an einer schwierigen Übersetzung, und sie hilft mir d a bei.«
    »Eine xiaomil« Yu machte nicht einmal den Versuch, seine Überraschung zu verbergen.
    »Gu hat darauf bestanden, daß sie mir hilft«, sagte Chen. Yu war der einzige, dem er nichts weiter erklären mußte. »Haben Sie den Tatort schon inspiziert?«
    »Ja. Aber dort gab es nicht viel zu sehen. Der Zei t punkt des Mords und die Tatsache, daß niemand einen Fremden hat kommen oder gehen sehen, spricht dafür, daß einer der Hausbewohner die Tat begangen hat. So sieht es auch der Alte Liang.«
    »Und Sie haben wirklich alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen?«
    »Noch nicht.«
    »Was könnte ein Mitbewohner für ein Motiv haben?«
    »Das habe ich mir auch schon überlegt«, sagte Yu. »Ich habe beim Shanghaier Literaturverlag nachgefragt. Mit ihrem Roman hat sie nicht viel verdient. In ihrer Schreibtischschublade f and ich eine kleine Summe, und dann lagen da noch Briefe aus dem Ausland. Vielleicht arbeitete sie an einem neuen Projekt, womöglich wieder so ein umstrittenes Buch.«
    Das würde dem Fall eine politische Dimension geben. Arbeitete sie an etwas, das die Regierung oder einen ihrer Beamten betraf und nicht ans Licht

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