Schwarz auf Rot
Parteiführung ein Dokument mit dem Titel heraus: ›Korrektur hinsich t lich der Anti-Rechts-Bewegung in den Fünfzigern‹. Da r in wurde es als Fehler bezeichnet, daß seinerzeit so viele Intellektuelle als Rechtsabweichler gebrandmarkt worden waren, wenngleich es damals zweifellos einige gegeben habe, die der Regierung übelwollten. Jedenfalls galten die Überlebenden nicht länger als Rechte, und sie zünd e ten Feuerwerkskörper, um dies zu feiern. Es gab sogar einen Film über einen solchen Rechtsabweichler, der das Glück hatte, in den Jahren der Kampagne seiner großen Liebe zu begegnen, und der wie durch ein Wunder übe r lebt hatte, natürlich nur, um später dem Aufbau des S o zialismus weitere persönliche Opfer zu bringen.
Nicht so Yang. In einer verspäteten Gedenkfeier wu r de er postum von allen Vorwürfen freigesprochen und durfte wieder ›Genosse Yang‹ genannt werden. Einige seiner Kollegen wohnten der Feier bei, wobei manche von der Universitätsleitung zur Teilnahme genötigt wo r den waren, da man befürchtete, Yang könne bereits ve r gessen sein. Bei diesem Anlaß wurde s ein Tod als ein tragischer und schwerer Verlust für die › moderne chin e sische Literatur‹ bezeichnet. Die Lokalzeitungen beric h teten über die Trauerfeier.
Allerdings schrieben sie nichts von einem kleinen Zwischenfall, der sich dort ereignet hatte. Qiao Ming, einer der ehemaligen Leiter der Kaderschule, war ebe n falls anwesend. Yin spuckte ihm zornentbrannt ins G e sicht, worauf Umstehende die beiden rasch trennten. › Vergangenes ist vergangen ‹ sagten die Leute zu ihr und zu Qiao.
Das Leben ging weiter. Yin blieb allein und edierte ein Manuskript mit Gedichten, das er hinterlassen hatte. Eine Sammlung seiner Gedichte erschien daraufhin beim Shanghaier Literaturverlag. Doch erst nach der Verö f fentlichung von Tod eines chinesischen Professors kam Yang wieder ins öffentliche Bewußtsein oder besser g e sagt die romantische Liebe zwischen Yin und Yang.
Das ist, kurz gefaßt, die Geschichte der beiden«, schloß Peiqin ihren Bericht. »Was ich dir erzählt habe, basiert auch auf dem Material, das ich in der Bibliothek gefunden habe, Besprechungen oder Erinnerungen Dri t ter.«
»Gibt es nicht noch mehr?«
»Na ja, das Buch hat heftige Reaktionen hervorger u fen.«
»Zum Beispiel?«
»Manche glauben, daß dies die wahre Geschichte ihrer Liebe ist. Es gibt sogar Leute, die Yin für seinen Tod verantwortlich machen. Wäre diese Affäre nicht gew e sen, dann wäre Yang nicht mit der Führung in Konflikt geraten, und ihm wäre vieles erspart geblieben. Er könnte heute noch am Leben sein.« Peiqin setzte sich bequemer hin und kuschelte sich an Yus Schulter. »Andere haben grundsätzliche Zweifel an der Geschichte. Schließlich war eine Kaderschule nicht der Ort für eine romantische Liebe. In den Zimmern herrschte drangvolle Enge. Wo hätten sich die beiden treffen sollen, selbst wenn sie nach der Arbeit noch Zeit und Energie dazu gehabt hätten? Ganz zu schweigen von der politischen Atmos phäre. Die Beamten dort hatten ein wachsames Auge auf alles und jeden.«
»Und was hältst du von dem Buch?«
»Als ich es zum ersten Mal gelesen habe, war ich mir unsicher. Einige Passagen gefielen mir gut, andere wen i ger. Um ehrlich zu sein, habe ich Yangs Arbeiten immer bewundert, aber in diesem Fall war ich ziemlich en t täuscht.«
»Tatsächlich? Das hast du mir nie erzählt.«
»Ich habe Anfang der Siebziger fast alle seine Gedic h te gelesen, aber damals hat man besser nicht über solche Texte gesprochen.«
»Trotzdem verstehe ich nicht, warum du diesmal en t täuscht warst. Schließlich ist es ihr Buch, nicht seines.«
»Du magst mich auslachen, aber ich fand, er hätte Besseres verdient. Vielleicht war meine erste Lektüre von meinem Vorurteil gegen sie bestimmt.«
»Du meinst, eine bessere Partnerin als die Frau, die auf dem Rückencover abgebildet ist – eine verhärmte Frau mittleren Alters mit Brille?« fragte Yu.
»Nein, so meine ich es nicht. Aber das Buch hätte be s ser sein müssen«, erwiderte Peiqin. »Die detaillierte Ei n führung in die Organisation der Roten Garden fand ich ziemlich überflüssig. Und manchmal haben mich die Schilderungen ihrer Liebe genervt.«
»Was war denn verkehrt daran?«
»Manches berührt einen wirklich, aber anderes ist bloß melodramatisch. Wie verknallte Teenager. Es ist schwer zu glauben, daß ein Gelehrter seines Alters und seiner Bildung so naiv sein
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