Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
Vom Netzwerk:
Schwein e fleisch, dazu die Fischkopfsuppe. Die Reiskuchen waren angenehm weich und klebrig, das Fleisch war zart, und die Suppe mit ihren glänzenden Chilischoten schmeckte delikat. Schade, daß sie nichts davon würde mit nach Hause nehmen können. Einmal erkaltet, nahm die Suppe einen unangenehmen Geruch an.
    Xiangxiang, die Spülerin, ebenfalls eine ehemalige gebildete Jugendliche, kam zu Peiqin herüber. Sie mußte bei der Arbeit Gummistiefel tragen, die bei jeder Bew e gung quietschten. Sie setzte sich neben Peiqin und zog einen völlig durchnäßten Fuß aus einem der Stiefel. X i angxiangs Rücken war vom jahrelangen Beugen über das Spülbecken leicht gekrümmt, und ihre roten, rissigen und geschwollenen Finger glichen Karotten. Sie arbeitete aufgrund einer Ausnahmeregelung sieben Tage die W o che. Ihr Mann hatte seine Stelle verloren, und sie mußte die ganze Familie ernähren.
    »Da haben wir uns krumm und bucklig gearbeitet, und wofür?« klagte Xiangxiang und wischte sich die Hände an der grauen Schürze ab. »Alle Fleischstücke gehen an die Regierung, und für unsereinen bleibt nur die leere Suppe.«
    Um konkurrenzfähig zu bleiben, hatte das Restaurant jetzt auch abends geöffnet, statt wie bislang nur am Mo r gen und am Mittag. Das Geschäft lief gut, doch davon profitierten die Angestellten kaum, allenfalls durch kle i ne Vergünstigungen wie die heutige Fischsuppe.
    »Mit unserer günstigen Lage und dem eingeführten Namen halten wir uns nicht schlecht.«
    »Geng war clever. Der ist jetzt sein eigener Boß.«
    »Die Suppe schmeckt köstlich«, sagte Peiqin und nahm den letzten Bissen Reiskuchen. In Yunnan wäre einem so ein Essen wie ein Festmahl erschienen. Dann fiel ihr A Q ein, die bekannte Figur aus einer Geschichte von Lu Xun, und sie fragte sich, ob sie auch so ein Opt i mist war wie dieser A Q, der immer die guten Seiten des Lebens sah. War es der A Q in ihr, der so dachte? »Ich muß wieder an die Arbeit, Xiangxiang.«
    »Jetzt wo wir zwei Schichten fahren statt einer, hast du doch viel mehr Arbeit und mußt trotzdem alles alleine machen«, sagte Xiangxiang. »Das ist nicht fair.«
    »Nichts ist fair. Am allerwenigsten das Leben.«
    In ihrem Büro widmete sie sich wieder ihren Büchern und Zeitschriften.
    Diesmal begann Peiqin den Tod eines chinesischen Professors nicht von vorne. Statt dessen versuchte sie, sich auf jene Seiten zu konzentrieren, die sie sich ang e merkt hatte. Und beim nochmaligen Lesen verfestigte sich der vage Eindruck, den sie bereits beim ersten Mal gehabt hatte: Die Qualität des Textes war uneinheitlich. Manche Teile wirkten wie von einem naiven Anfänger geschrieben, während andere ihr höchst anspruchsvoll vorkamen. Das Buch schien von zwei verschiedenen Pe r sonen verfaßt worden zu sein. Besonders auffallend war das bei dem Abschnitt über die Gründe der Kulturrevol u tion, der v on großer analytischer Kraft zeugte. Konnte eine junge, fanatische Rotgardistin so viel historische Einsicht aufbringen? Doch die dann folgenden Kapitel langweilten den Leser mit endlosen Details über örtliche Organisationsformen und deren Interessen, Konflikte, Machtkämpfe und Intrigen. Vieles davon war trivial und bedeutungslos.
    Ihr war klar, daß es in einem Buch stilistische Unte r schiede geben konnte, doch so extreme Qualitätsschwa n kungen wie bei Tod eines chinesischen Professors schi e nen ihr ungewöhnlich.
    Sie wurde den Eindruck nicht los, daß Yin dieses Buch nicht allein verfaßt hatte. Peiqin mußte über sich selbst lachen und schüttelte den Kopf gegenüber ihrem Bild in einem kleinen, gesprungenen Spiegel auf ihrem Arbeitstisch.
    Als sie wieder von ihrer Lektüre aufblickte, war es fast zwei. Sie erhob sich und ging auf und ab. Ihr war das möglich, aber der Geschäftsführer mußte aufpassen, daß er sich dabei nicht den Kopf an der niedrigen Decke stieß. Sie machte einen Telefonanruf, um sicherzustellen, daß Hua heute nicht mehr zurückkommen würde. Dann schloß sie die Tür von innen ab, bevor sie ein zweites Mal zum Hörer griff und Oberinspektor Chens Nummer wählte.
    Nach den entsprechenden Höflichkeitsfloskeln fragte sie ihn: »Was halten Sie von Yin als Schriftstellerin, O berinspektor Chen?«
    »Ich habe ihr Buch noch nicht gelesen. Aber in den vergangenen Tagen habe ich mit einigen Leuten telef o niert, die es gelesen haben. Sie scheinen keine sehr hohe Meinung davon zu haben. Das mag daran liegen, daß sie Vorurteile wegen Yins Aktivitäten als

Weitere Kostenlose Bücher