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Schwarz auf Rot

Schwarz auf Rot

Titel: Schwarz auf Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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Wan ist, nämlich ein ehemaliges Mitglied der Mao-Zedong-Gedanken-Propagandatrupps. Sie werden erfa h ren, daß er ein Roter war, und was ist er jetzt? Unglückl i cherweise steht Wan nicht allein. Viele Pensionisten l e ben heutzutage unter schwierigen Bedingungen. Man wird Wan als Beispiel für einen alten Arbeiter sehen, mit dem es abwärts geht. Wenn Wan aus Verzweiflung in diesen Mord getrieben wurde, dann könnte das vielen anderen in ähnlichen Umständen ebenso ergehen. Wan könnte zur Symbolfigur werden.«
    »Da haben Sie nicht unrecht, Genosse Oberinspektor Chen«, sagte Li nach langem Schweigen. »Aber die Stadtregierung setzt das Präsidium enorm unter Druck.«
    »Das genau ist es, was wir berücksichtigen müssen«, erklärte Chen vieldeutig. »Wenn Journalisten die Details aufgreifen und veröffentlichen und womöglich verfä l schen – stellen Sie sich vor, wie das klingen würde: Der unüberbrückbare Haß z wischen einem Mitglied der Mao-Zedong-Gedanken-Propagandatrupps und einer Disside n ten-Schriftstellerin, die die Kulturrevolution ve r dammte. Solche politischen Implikationen wären fatal.«
    »Dann müssen wir eben den Informationsfluß strikt unter Kontrolle halten.«
    »Ich bezweifle, ob uns das gelingen wird. Auf Ihre Anregung hin habe ich mir vergangene Woche das sh i kumen angesehen. Es wohnen dort so viele Leute auf engstem Raum; Neuigkeiten und Gerüchte verbreiten sich, als hätten sie Flügel. Und natürlich wird die Presse auch dort auftauchen. Die Medien sind nicht mehr, was sie einmal waren; auf ihre Loyalität gegenüber der Partei kann man nicht zählen. Um die Auflagen zu erhöhen, ist ihnen jede Sensationsmeldung recht.«
    Nach kurzem Zögern sagte Li: »Wenn Hauptwach t meister Yu noch ein paar Tage für seine Ermittlungen benötigt, dann wird sich das wohl vertreten lassen. Hauptsache ist, daß nicht der Eindruck entsteht, staatl i che Stellen seien in Yins Tod verwickelt. Diese Botschaft muß so schnell wie möglich unter die Leute kommen. «
    »Eine Frage noch, Parteisekretär Li.«
    »Nur zu, Oberinspektor Chen.«
    »Es geht um die Staatssicherheit. Eine Sache ist mir da noch unklar. Es ist nicht deren Fall. Niemand hat uns unterrichtet, daß sie involviert sind, und trotzdem haben sie Yins Zimmer durchsucht, noch bevor Hauptwach t meister Yu dort anlangte. Und dann hat man uns die I n formation vorenthalten, daß Yin einen neuen Paß bea n tragt hatte. Warum das alles, Parteisekretär Li?«
    »Nun ja. Yin ist eine Dissidentin. Da ist es normal, daß sich die Staatssicherheit für sie interessiert. Auße r dem sind sie uns keine Rechenschaft schuldig.«
    »Aber gerade wenn der Fall politisch so sensibel ist, müßten sie uns doch auf dem laufenden halten.«
    »Ich bin überzeugt, daß sie uns informiert hätten, falls sie e twas Bedeutsames entdeckt hätten«, sagte Li. »H a ben Sie denn etwas, das die Staatssicherheit interessieren könnte?«
    »Nein«, sagte Chen. Und so hätte er auch geantwortet, wenn er etwas gefunden hätte. »Deshalb frage ich ja.«
    »Das Ministerium in Peking hat sich auch schon bei uns gemeldet. Minister Huang hat ja eine hohe Meinung von Ihnen. Wie wäre es, wenn Sie den Fall übernehmen, wo Sie nun schon so viele Gedanken daran verschwendet haben?«
    »Das geht leider nicht, Parteisekretär Li. Meine Mutter ist im Krankenhaus. Ich bin gerade erst benachrichtigt worden.«
    »Tut mir leid, das zu hören. Kann das Präsidium i r gend etwas tun? Sie haben ja noch Urlaub. Falls nötig, können Sie selbstverständlich noch ein paar Tage länger freinehmen. Sollen wir jemanden zu Ihrer Unterstützung ins Krankenhaus schicken? Sagen Sie bitte, was wir tun können.«
    »Momentan gar nichts. Trotzdem vielen Dank. Ich werde Hauptwachtmeister Yu, soweit es geht, unterstü t zen, das verspreche ich Ihnen, Parteisekretär Li.«
    Nach diesem Gespräch konnte Chen sich lange nicht auf seine Übersetzung konzentrieren, doch schließlich gelang es ihm. Wenig später jedoch riß ihn ein Anruf von Weißer Wolke erneut aus der Arbeit. Im Krankenhaus war alles soweit geklärt, und sein Mutter befand sich ke i neswegs in kritischem Zustand. Der Arzt hatte gesagt, man wolle die Untersuchungen vor allem wegen ihres Alters stationär durchführen. Das klang beruhigend. Also wandte sich Chen wieder der Überarbeitung seines Te x tes zu.
    Kurz vor Mittag rief er Yu zu Hause an. Peiqin war am Telefon; das kam ihm gerade recht, denn auch an sie hatte er Fragen. Nach ihrem

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