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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geschlagen. Ich brenne schon
    darauf, die Kohlenader in Angriff zu nehmen.«
    »Geduld, Simon«, ermahnte ihn der Ingenieur. »Sie ge-
    hen doch wohl nicht davon aus, hinter dieser Wand schon
    einen Stollen fix und fertig zu finden?«
    »Entschuldigen Sie, Mr. James«, erwiderte der alte Ober-
    steiger. »Ich gehe von allem aus, was überhaupt möglich ist.
    Wenn Harry und mich das Glück schon durch die Entde-
    ckung eines neuen Flözes so außerordentlich begünstigt hat,
    warum sollte das auch nicht bis zum Ende der Fall sein?«
    Die Dynamitexplosion erfolgte. Rollend pflanzte sich
    der Donner in dem Netz der unterirdischen Gänge fort.
    James Starr, Madge, Harry und Simon Ford eilten zur
    Wand der Höhle.
    »Mr. James, Mr. James«, rief der alte Obersteiger, »sehen
    Sie, die Tür ist aufgesprungen ...«
    Diesen Vergleich Simon Fords rechtfertigte das Sichtbar-
    * Eine besondere, von den Bergleuten gebrauchte Art Hammer.
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    werden einer neuen Aushöhlung, deren Tiefe man nicht zu
    schätzen vermochte.
    Harry wollte schon durch die Öffnung eindringen ...
    Der Ingenieur, der übrigens sehr erstaunt war, jenen
    Hohlraum zu finden, hielt ihn zurück.
    »Laß die Luft darin sich erst reinigen«, sagte er.
    »Ja, Achtung vor den Mofetten!«* rief ihm Simon Ford
    zu.Eine Viertelstunde verging in ängstlicher Erwartung.
    Dann hielt man die an das Ende des Stocks befestigte Fackel
    möglichst weit in die neu geöffnete Höhle hinein und über-
    zeugte sich, daß sie darin unverändert weiterbrannte.
    »Dann geh hinein, Harry«, sagte James Starr, »wir folgen
    dir.«Das durch das Dynamit freigelegte Sprengloch war ge-
    nügend groß, um einen Menschen passieren zu lassen.
    Mit der Leuchte in der Hand begab sich Harry ohne Zö-
    gern hindurch und verschwand bald in der Finsternis.
    James Starr, Simon Ford und Madge warteten bewe-
    gungslos.
    1 Minute – wie lang erschien sie ihnen – verstrich. Harry
    erschien nicht wieder, er rief sie auch nicht. Als er sich dem
    gesprengten Eingang näherte, bemerkte James Starr auch
    nicht einmal mehr einen Lichtschein, der die dunkle Höhle
    doch einigermaßen hätte erhellen müssen.
    Sollte Harry plötzlich der Boden unter den Füßen ge-
    * So heißen die giftigen Ausdünstungen in den Kohlengruben.
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    schwunden sein? War der junge Bergmann vielleicht in ir-
    gendeine grundlose Tiefe gestürzt? Drang seine Stimme
    nicht mehr bis zu seinen Begleitern?
    Ohne sich über solche Möglichkeiten Rechenschaft zu
    geben, wollte eben der alte Obersteiger schon in die unbe-
    kannte Höhle eintreten, als ein erst schwacher, bald aber
    heller werdender Schein aufleuchtete und Harrys Stimme
    ertönte.
    »Kommen Sie, Mr. Starr! Hierher, Vater!« rief er; »der
    Weg durch New Aberfoyle ist offen!«
    9. KAPITEL
    New Aberfoyle
    Wäre es möglich gewesen, mit irgendeiner übermensch-
    lichen Kraft in einem Stück und in einer Dicke von etwa
    1.000 Fuß die ganze Erdrinde abzuheben, die all die Seen,
    Flüsse und Golfe der Grafschaften Stirling, Dumbarton und
    Renfrew trägt, so hätte man unter diesem enormen Deckel
    eine ungeheuere Aushöhlung gefunden, die nur mit einer
    einzigen anderen auf der ganzen Erde – die berühmte Mam-
    mutgrotte in Kentucky – hätte verglichen werden können.
    Diese Aushöhlung bestand aus mehreren hundert Zel-
    len von jeder Form und Größe, einem Bienenkorb mit ver-
    schiedenen, willkürlich angelegten Etagen nicht unähnlich,
    doch einem Bienenkorb in riesenhaftem Maßstab, der statt
    der Bienen recht gut die Ichthyosauren, Megatherien und

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    Pterodactylen der geologischen Vorzeit hätte beherbergen
    können.
    Ein Labyrinth von Galerien, einige höher als die höchs-
    ten Wölbungen der Kirchen, andere eng und gewunden,
    diese in horizontaler Richtung verlaufend, jene in ganz be-
    liebiger Abwechslung schräg nach oben oder unten sich
    hinziehend – stellten diese Höhlen dar, die frei untereinan-
    der zusammenhingen.
    Die Pfeiler, welche die alle Baustile nachahmenden Wöl-
    bungen trugen, die dicken, zwischen den Galerien verlau-
    fenden Mauern und die Nebengänge in diesen sekundären
    Schichten waren alle aus Sandstein und schiefrigen Felsen
    zusammengesetzt. Zwischen diesen wertlosen Lagern aber,
    und von ihnen mächtig zusammengepreßt, zeigten sich
    herrliche Kohlenflöze, ähnlich schwarzem Blut, das in der
    Vorzeit durch dieses unentwirrbare Netz geflossen zu sein
    schien. Jene Lager erstreckten sich

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