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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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braucht
    man sich nicht zu wundern. Man bräuchte in der bretagni-
    schen Geschichte nicht allzuweit zurückzugehen, um Be-
    lege dafür zu finden. Nicht wenige Strandräuber der Küste
    machten ein Geschäft daraus, Fahrzeuge anzulocken und
    sich die dadurch erhaschte Beute zu teilen. Bald verlockte
    eine in Brand gesteckte Gruppe harziger Bäume ein Schiff
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    in ein Fahrwasser, in dem es zugrunde gehen mußte. Bald
    täuschte eine Fackel, die man an den Hörnern eines Ochsen
    befestigte und von diesem beliebig umhertragen ließ, die
    Besatzung eines solchen hinsichtlich des einzuhaltenden
    Kurses. Derlei Schandtaten führten dann nicht selten ei-
    nen Schiffbruch herbei, den sich das Raubgesindel zunutze
    zu machen wußte. Es bedurfte des strengsten Einschreitens
    der Behörden und der empfindlichsten Strafen, um diese
    barbarischen Gewohnheiten auszurotten. Konnte man also
    nicht auf den Gedanken kommen, daß hier ein gewissenlo-
    ser Verbrecher sich aufs neue jenes früher beliebten Mittels
    der Strandräuber bediente?
    Trotz aller Aussagen Jack Ryans und seiner Gefährten
    blieb das doch immer die Ansicht der Polizeibeamten. Als
    jene von einer einzuleitenden Untersuchung hörten, teilten
    sie sich in zwei Parteien; die eine begnügte sich damit, mit
    den Achseln zu zucken, während die furchtsamere gar pro-
    phezeite, daß man damit nur jene übernatürlichen Wesen
    reizen und weitere Unglücksfälle herbeiführen werde.
    Trotz alledem ging die Untersuchung ihren Gang. Die
    Polizeibeamten begaben sich auf Schloß Dundonald und
    begannen dort die sorgfältigsten Nachforschungen.
    Zunächst versuchte man festzustellen, ob der Erdboden
    vielleicht Fußabdrücke zeigte, die von anderen Füßen her-
    rührten, als denen der Gespenster; es war aber unmöglich,
    auch nur die leichteste frischere oder ältere Fußspur zu ent-
    decken, obwohl die noch vom gestrigen Regen feuchte Erde
    gewiß den seichtesten Eindruck bewahrt hätte.
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    »Fußstapfen von Geistern!« rief Jack Ryan aus, als er von
    dem Mißerfolg der Untersuchungen hörte, »da könnte man
    wohl auch die Fußspuren eines Irrlichts im Sumpf wieder-
    finden wollen!«
    Die ersten Maßnahmen lieferten also keinerlei Resultat.
    Es war kaum anzunehmen, daß die weiteren von besseren
    Erfolgen gekrönt sein würden.
    Es ging nun hauptsächlich darum, nachzuweisen, wie
    das Feuer auf der Spitze des alten Turms angezündet wor-
    den war, welches Brennmaterial man verwendet und end-
    lich welche Rückstände es gelassen hatte.
    Bezüglich des ersten Punkts fand man nichts, keine
    Reste von Zündhölzchen oder Papierstückchen.
    Der zweite Punkt blieb ebenso dunkel. Nirgends lag dür-
    res Gras, ein Stückchen Holz oder sonst etwas von dem Ma-
    terial umher, das in der vergangenen Nacht dem Feuerherd
    gewiß in reichlicher Menge zugeführt worden war.
    Der dritte Punkt trotzte nicht minder jeder Erklärung.
    Das vollständige Fehlen der Asche oder jedes anderen
    Brennstoffrests ließ nicht einmal den eigentlichen Herd
    des Feuers erkennen. Nirgends, weder am Boden, noch am
    Gestein zeigte sich auch nur eine geschwärzte Stelle. Sollte
    man annehmen, daß ein Bösewicht nur eine große Fackel
    in der Hand gehalten habe? Das war doch unwahrschein-
    lich, da die Flamme nach der Aussage der Zeugen ganz rie-
    sige Dimensionen gehabt hatte, so daß die Mannschaft der
    ›Motala‹ sie trotz des nebligen Wetters schon in der Entfer-
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    nung mehrerer Meilen von der offenen See her wahrneh-
    men konnte.
    »Herrlich!« sagte Jack Ryan, »die Feuerhexe soll Streich-
    hölzchen nötig gehabt haben! Sie bläst, und rings um sie ent-
    zündet sich die Luft, von der keine Asche zurückbleibt!«
    Der Erfolg aller Bemühungen der Behörden war schließ-
    lich nur der, daß eine neue Legende zu den früheren hinzu-
    kam – eine Legende, welche die Erinnerung an den Unter-
    gang der ›Motala‹ verewigen und die nicht wegzuleugnende
    Erscheinung der Feuerhexen bekräftigen mußte.
    Ein so braver Bursche wie Jack Ryan konnte bei seiner
    hervorragenden Konstitution indes nicht lange ans Bett
    gefesselt bleiben. Einige Hautschrunden und Verrenkun-
    gen waren nicht imstande, ihn länger als nötig zur Untätig-
    keit zu zwingen. Ihm fehlte jetzt die Zeit, um krank zu sein.
    Wenn diese Zeit aber mangelt, so ist man es am wenigsten
    in den gesunden Landstrichen der Lowlands (Unterlande
    von Schottland). Jack Ryan war also sehr bald wieder gene-
    sen. Sobald

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