Schwarz-Indien
sie sicher auch einige
Ruinen.
Besonders in Schottland sind alle Ruinen von Gespens-
tern bewohnt; so glaubt man wenigstens in den Hochlan-
den wie in den Ebenen.
Die ältesten und gleichzeitig berüchtigsten Ruinen die-
ser Küstenstrecke waren nun die eines Schlosses Robert
Stuarts, das den Namen Dundonald Castle führt.
Zur Zeit unserer Erzählung stand dieses Schloß von
Dundonald schon lange, lange Jahrhunderte ganz leer und
diente nur umherirrenden Geistern als Zuflucht. Niemand
besuchte es auf dem hohen, am Meer emporragenden Fel-
sen, 2 Meilen von der Stadt. Einzelne Fremde gerieten wohl
auf den Einfall, diese alten, historischen Ruinen näher in
Augenschein zu nehmen, dann mußten sie den Weg aber al-
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lein zu finden wissen. Die Einwohner von Irvine hätten sie
um keinen Preis der Welt dorthin geführt. Daran mochten
hauptsächlich die Erzählungen von gewissen ›Feuerhexen‹
schuld sein, die das Schloß unsicher machten.
Die Abergläubischen behaupteten, jene phantastischen
Wesen gesehen, mit eigenen Augen gesehen zu haben. Jack
Ryan gehörte natürlich zu den letzteren.
Die Wahrheit daran war, daß von Zeit zu Zeit, bald über
einer halb zusammengefallenen Mauer, bald an der Höhe
des Turms, der die Ruinen von Dundonald Castle überragt,
lange Flammen sichtbar wurden.
Ähnelten sie wirklich der Gestalt eines Menschen, wie
man allgemein behauptete? Verdienten sie den Namen ›Feu-
erhexen‹, den ihnen die Uferbewohner beilegten? Offenbar
lag hier nur eine der großen Leichtgläubigkeit zuzuschrei-
bende Täuschung vor, während eine nüchterne Prüfung die
ganze Erscheinung leicht auf ihre physikalischen Ursachen
zurückgeführt hätte.
Wie dem auch sei, die Feuerhexen standen in der ganzen
Umgebung in dem Ruf, die Ruinen des alten Schlosses häu-
fig zu besuchen und dort, besonders in dunklen Nächten,
ihre wilden Tänze und Gesänge aufzuführen. Ein so muti-
ger Bursche Jack Ryan auch war, er hätte doch nimmermehr
gewagt, jene dabei auf seinem Dudelsack zu begleiten.
»Für sie ist der eisgraue Nick schon genug«, sagte er;
»der braucht mich nicht, sein Orchester zu verstärken.«
Man wird leicht glauben, daß diese seltsamen Erschei-
nungen den obligaten Text der Vorträge bei den Abendver-
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einigungen abgaben. Jack Ryan besaß ein ganzes Repertoire
Legenden von den Feuerhexen und kam niemals in Verle-
genheit, wenn die Sprache auf dieses Thema kam.
Auch bei der letzten Abendgesellschaft des Irviner Fests,
bei der reichlich Ale, Brandy und Whisky flossen, verfehlte
Jack Ryan nicht, zum großen Vergnügen und doch auch
zum heimlichen Grauen der Zuhörer, sein Lieblingsthema
wieder aufzunehmen.
Diese Versammlung fand in einer großen Scheuer der
Meierei von Melrose, nah dem Ufer der Bai, statt. In der
Mitte der Teilnehmer loderte ein tüchtiges Koksfeuer auf
einem eisernen Dreifuß.
Draußen tobte ein schweres Wetter. Über die Wellen jag-
ten dichte Dunstmassen dahin, unter denen die Wellen, von
einem steifen Südwest getrieben, der Küste zueilten. Bei der
pechschwarzen Nacht, ohne jede hellere Stelle am Himmel,
flossen Erde, Himmel und Wasser in der Finsternis zusam-
men und mußten jede Landung in der Bai von Irvine außer-
ordentlich erschweren, falls sich ein Schiff bei dem heftigen,
auf die Küste zutreibenden Wind hineinwagte.
Der kleine Hafen von Irvine ist nicht stark besucht, we-
nigstens nicht von Fahrzeugen mit einigermaßen größerem
Tonnengehalt. Größere Dampf- und Segelschiffe steuern
auf das Land etwas nördlicher zu, wenn sie in den Golf von
Clyde einfahren wollen.
An jenem Abend aber hatte ein am Strand zurückge-
bliebener Fischer nicht ohne Verwunderung ein Fahrzeug
bemerkt, das auf die Küste zuhielt. Wäre es plötzlich Tag
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geworden, man hätte nicht mit Erstaunen, sondern mit Ent-
setzen erkannt, daß das Fahrzeug, mit dem Wind im Rü-
cken und mit aller Leinwand, die es tragen konnte, darauf
zu segelte. Verfehlte es aber einmal den Eingang des Golfs,
so fand es keine rettende Bai an den mächtigen Felsen des
Ufers. Wenn dieses unvorsichtige Schiff sich noch weiter
näherte, war nicht einzusehen, wie es wieder werde abkom-
men können.
Die Abendgesellschaft sollte eben nach einem letzten
Lied Jack Ryans geschlossen werden. Die einmal in die Welt
der Phantome versetzten Zuhörer waren gerade in der Ver-
fassung, gegebenenfalls ganz ihrem Aberglauben gemäß
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