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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dir genügen könnte, dein Leben ...«
    Noch hatte Nell den Satz nicht vollendet, von dem Har-
    rys ganzes zukünftiges Leben abhing, als sich ein ganz un-
    erklärliches Ereignis zutrug.
    Obgleich die ›Rob Roy‹ noch eine halbe Meile vom Ufer
    entfernt war, erlitt sie plötzlich einen heftigen Stoß. Der Kiel
    des Schiffes streifte den Grund und trotz aller Anstrengung
    vermochte die Maschine es nicht wieder flottzumachen.
    Die Ursache dieses Zwischenfalls war darin zu suchen,
    daß sich der Katrine-See in seinem östlichen Teil plötzlich
    entleerte, als hätte sich in seinem Bett ein gewaltiger Spalt
    geöffnet. Binnen wenigen Sekunden lag dieser Teil des Sees
    trocken wie ein flacher Strand zur Zeit der tiefsten Ebbe in
    den Äquinoktien. Fast sein ganzer Inhalt verschwand im In-
    nern der Erde.
    »O meine Freunde«, rief da James Starr, als ob ihm über
    die Ursache dieser Erscheinung plötzlich ein Licht aufging,
    »Gott rette und beschütze New Aberfoyle!«
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    19. KAPITEL
    Eine letzte Bedrohung
    In New Aberfoyle ging die Arbeit auch heute ihren gewohn-
    ten Gang. Weit in der Ferne hörte man den Donner der Dy-
    namitpatronen, welche die Kohlenlager bloßlegten. Hier
    brachen Spitzhaue und Schlegel das mineralische Brenn-
    material los; dort knirschten die Bohrer, die in dem Sand-
    stein und Schieferfelsen tiefe Löcher aushöhlten. Von an-
    deren Stellen her vernahm man eigentümliche kavernöse
    Geräusche. Stöhnend zog die von mächtigen Maschinen
    angesaugte Luft durch die Wetterschächte, deren Holztüren
    kräftig zuschlugen. In den unteren Gängen rollten die me-
    chanisch fortbewegten Hunde mit einer Geschwindigkeit
    von 15 Meilen dahin, während automatische Glocken den
    Arbeitern signalisierten, sich in die dazu angebrachten Aus-
    schnitte in der Wand zurückzuziehen. Ohne Unterlaß stie-
    gen die Förderkästen hinauf und hinab an den Tauen der
    großen Trommeln, die an der Oberfläche standen. Die elek-
    trischen Strahlen leuchteten in vollem Glanz durch ganz
    Coal City.
    Der Abbau der Grube wurde mit größtem Eifer betrie-
    ben. Die Kohlenschätze flossen reichlich in die kleinen Wa-
    gen, die sich hundertweise in die Förderkästen am Grund
    der Aufzugsschächte entleerten. Während ein Teil der Ar-
    beiter nach der Nachtschicht ausruhte, arbeiteten die Tages-
    kolonnen, um nie eine Stunde zu verlieren.
    Simon Ford und Madge saßen nach eingenommener
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    Mahlzeit im Hof des Cottage. Der alte Obersteiger hielt
    seine gewohnte Siesta und rauchte ein Pfeifchen mit ausge-
    zeichnetem französischem Tabak. Die beiden Gatten plau-
    derten, das heißt, sie sprachen von Nell, ihrem Sohn und
    James Starr, sowie von dem Ausflug, den sie auf die Ober-
    welt unternommen hatten. Wo waren sie jetzt? Was taten
    sie? Wie konnten sie so lange ausbleiben, ohne Heimweh
    nach der Kohlengrube zu empfinden?
    In diesem Augenblick ließ sich plötzlich ein ungeheures
    Rauschen vernehmen. Man hätte glauben mögen, es habe
    sich ein furchtbarer Wasserfall in die Kohlengrube ergos-
    sen.Simon Ford und Madge waren eiligst aufgesprungen.
    Fast gleichzeitig brausten die Wasser des Malcolm-Sees
    auf. Eine hohe Woge stürmte ans Ufer und brach sich an den
    Mauern des Cottage.
    Simon Ford hatte Madge ergriffen und sie hastig in das
    obere Stockwerk der Wohnung geführt.
    Aus allen Teilen der durch jene ungeahnte Überschwem-
    mung bedrohten Coal City ertönten ängstliche Hilferufe.
    Die Bewohner suchten überall Schutz, sogar auf den hohen
    Schieferfelsen des Ufers.
    Der Schrecken stieg aufs höchste. Schon stürzten einige
    Bergmannsfamilien halb toll nach dem Tunnel, um sich in
    höher gelegene Etagen zu flüchten. Sie schienen anzuneh-
    men, das Meer sei in die Grube eingebrochen, da deren Ga-
    lerien bis unter den Nordkanal reichten. Dann mußte frei-
    lich das Gewölbe, so geräumig es auch war, vollständig unter

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    Wasser gesetzt werden. Kein Bewohner von New Aberfoyle
    wäre in diesem Fall dem Tod entgangen.
    Als die ersten Flüchtlinge aber die untere Tunnelmün-
    dung erreichten, sahen sie sich Simon Ford gegenüber, der
    das Cottage ebenfalls schleunigst verlassen hatte.
    »Halt, halt, Freunde!« rief der alte Obersteiger ihnen
    zu. »Wenn unsere Stadt im Wasser untergehen soll, dann
    schwillt die Überschwemmung auch so schnell, daß ihr
    niemand entgehen kann. Jetzt aber steigt das Wasser nicht
    mehr. Alle Gefahr scheint vorüber.«
    »Und unsere Kameraden, die in

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