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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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in
    Rob Roys Leben ab. Hier erhoben sich düstere, mit Kieseln
    vermengte Kalkfelsen, welche die Zeit und die Atmosphäre
    zu einem festen Zement verschmolzen hatten. Elende, mehr
    einfachen Höhlen ähnelnde Hütten, sogenannte ›Bour-
    rochs‹, lagen da und dort zwischen verfallenen Schäfereien
    zerstreut. Man hätte nach ihrem Äußerem nicht entschei-
    den können, ob sie Menschen oder wilden Tieren als Wohn-
    stätte dienten. Einige wunderbar ausstaffierte Gestalten mit
    grauen, durch das rauhe Klima gebleichten Haaren sahen
    die Wagen mit großen Augen vorüberziehen.
    »Das ist hier recht eigentlich das Stück Erde«, sagte James
    Starr, »das Rob Roys Land zu nennen ist. Hier wurde der
    bekannte Landvogt Nichol Jarvie, der würdige Sohn seines
    Vaters, von Graf Lennox’ Reisigen ergriffen und an seiner
    Hose aufgehängt, die glücklicherweise aus festem schotti-
    schen Tuch und nicht aus leichtem, französischem Camelot
    gefertigt war. Nicht weit von den Quellen des Forth, welche
    die Bergströme des Ben Lomond speisen, zeigt man noch
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    die Furt, die der Held passierte, um den Soldaten des Her-
    zogs von Montrose zu entgehen. Oh, hätte er die finsteren
    Schlupfwinkel unserer Kohlengrube gekannt, wie leicht
    wäre er allen Nachforschungen entgangen. Ihr seht, meine
    Freunde, man kann in diesem nach allen Seiten wunderba-
    ren Land keinen Schritt tun, ohne auf Erinnerungen aus der
    Vorzeit zu stoßen, an denen sich Walter Scott begeisterte,
    als er in prächtigen Versen den Schlachtruf des Clans Mac-
    Gregor besang.«
    »Das ist alles sehr schön, Mr. Starr«, versetzte Jack Ryan,
    »wenn es aber wahr ist, daß Nichol Jarvie an seinen eige-
    nen Hosen aufgehängt wurde, was wird dann aus unserem
    Sprichwort: ›Das muß ein Hauptspitzbube sein, der einem
    Schotten seine Hosen raubt?«
    »Meiner Treu, Jack, da hast du recht«, erwiderte James
    Starr auflachend, »doch das liefert nur den Beweis, daß un-
    ser Landvogt damals nicht nach der Sitte seiner Vorfahren
    gekleidet ging.«
    »Daran tat er sehr unrecht, Mr. Starr.«
    »Ich widerspreche dir nicht, Jack!«
    Nachdem das Gespann längs des steilen Strombetts em-
    porgeklommen war, trabte es wieder in ein baumloses, dür-
    res, nur mit spärlichem Heidekraut bedecktes Tal hinab. An
    manchen Stellen erhoben sich hier isolierte, pyramidenför-
    mige Steinhaufen.
    »Das sind Cairns«, sagte James Starr. »In früherer Zeit
    mußte jeder Vorüberkommende einen Stein dahin legen,
    um den Held in dem darunter befindlichen Grab zu ehren.

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    Daher rührt auch der alte gälische Spruch: ›Ein Schurke,
    wer an einem Cairn vorübergeht, ohne dort als letzten Gruß
    einen Stein niederzulegen.‹ Hätten die Nachkommen diese
    Sitte der Väter bewahrt, dann müßten diese Steinanhäufun-
    gen jetzt ganze Hügel bilden. In dieser Gegend vereinigt
    sich tatsächlich alles, die angeborene Poesie der Gebirgs-
    bewohner weiter auszubilden. Dasselbe zeigt sich in allen
    Gebirgsländern, welche die Einbildungskraft durch ihre
    Wunder anregen, und hätten die Griechen ein ebenes Land
    bewohnt, sie hätten wohl nie die Mythologie des Altertums
    erfunden!«
    Unter diesen und anderen Gesprächen rollte der Wagen
    durch ein enges Tal weiter, das wie geschaffen schien, als
    Tummelplatz für Gespenster und Kobolde zu dienen. Den
    kleinen See von Arklet ließ man links liegen und gelangte
    dann auf eine ziemlich steil abfallende Straße, die beim
    Wirtshaus von Stronachlacar am Katrine-See auslief.
    Dort schaukelte an einem leichten Holzdamm befestigt
    ein kleiner Dampfer, natürlich mit Namen ›Rob Roy‹. Die
    Reisenden bestiegen ihn sofort, da er eben abfahren sollte.
    Der Katrine-See mißt in der Länge nur 10 Meilen und
    überschreitet niemals eine Breite von 2 Meilen. Auch hier
    entbehren die ersten Nachbarhügel des Ufers nicht einer
    gewissen Großartigkeit.
    »Da liegt also der See vor uns«, begann James Starr, »den
    man nicht zu Unrecht mit einem langen Aal verglichen hat.
    Er soll niemals zufrieren. Darüber weiß ich nichts Nähe-
    res, aber man darf nicht vergessen, daß er als Schauplatz
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    der Taten der Wasser- oder Seekönigin gedient hat. Ich bin
    fest überzeugt, daß unser Freund Jack, wenn seine Augen
    scharf genug wären, den leichten Schatten der schönen
    Helen Douglas noch über die Wasserfläche ziehend sehen
    müßte.«
    »Gewiß, Mr. James«, fiel Jack Ryan ein, »warum sollte
    ich das nicht sehen? Weshalb

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