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Schwarz

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Titel: Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mit heftigen Kopfschmerzen aufgewacht und zu ihrem ersten Termin zu spät gekommen. Und dann hatte ihre Mutter angerufen.
    Zum Glück brauchte man jetzt dank der Autobahn von Helsinki bis nach Janakkala nur noch eine gute Stunde. Es wurmte sie, dass die Hälfte ihres Arbeitstages für Privatangelegenheiten draufgehen würde, gerade jetzt, wo ihr ohnehin schon alles über den Kopf wuchs. Aber ihre Mutter hatte sich am Telefon so angehört, als wäre sie wirklich schockiert, sie konnte nicht einmal richtig erzählen, worum es ging, und hatte nur gebeten, gleich zu kommen, und etwas von einem Brief, von der Bank und dem Haus gemurmelt.
    Kati Soisalo sah schon den Viralanjärvi, bog nach dem See rechts auf die Turengintie ab und fuhr noch etwa zehn Minuten durch die schöne Landschaft von Kanta-Häme, bis sie den Hof ihres Elternhauses erreichte, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte. Vater und Mutter erwiesen sich als Vorreiter eines Trends, als sie schon Anfang der siebziger Jahre aus der Stadt aufs Land zogen. Ihr Vater hatte in Pohjanmaa ein zweihundert Jahre altes zweistöckiges Blockhaus gekauft, und im Laufe der Jahre war um das ansehnliche Haus herum ein echter Traditionshof mit Galeriespeicher und Rauchsauna entstanden.
    Als Kati Soisalo aus ihrem Wagen stieg, roch sie den berauschenden Duft der Traubenkirschblüte, für Anfang Mai war der Frühling schon ungewöhnlich weit. Hier schien die Zeit stehengeblieben zusein. Als Teenagerin war es ihr brennender Wunsch gewesen, hier möglichst bald wegzukommen, und jetzt wünschte sie sich noch inständiger, Vilma gerade hier erziehen zu können. Doch das würde nicht geschehen. Schade, dass ihr ein Besuch im Zuhause ihrer Kindheit heutzutage so schwer fiel. Bei ihren Eltern nahm sie immer automatisch die Rolle des Kindes an, und das ließ sie an ihre Tochter denken, daran, wie schrecklich schutzlos und einsam sich das Mädchen damals gefühlt haben musste, als …
    Die Haustür öffnete sich knarrend, die Katze Iivari schlüpfte auf den Hof, und Kati Soisalo ging durch den Flur und betrat die Stube. Sie wusste sofort, dass etwas Ernstes geschehen sein musste, als sie ihre Eltern am Tisch sitzen sah. Kati Soisalo erschrak, hier bereitete man sich doch nicht etwa auf ein Begräbnis vor?
    »Danke, Kati, dass du kommen konntest. Wie geht es dir so?«, fragte Virve Soisalo niedergeschlagen.
    »Jetzt wird nicht darüber geredet, wie es mir geht, was ist hier passiert?«
    »Du hast ja selbst genug Sorgen, aber nun sieht es so aus, als bräuchten wir die Hilfe einer Juristin. Die Angelegenheiten der Firma sind völlig durcheinandergeraten, uns ist immer noch nicht richtig klar, was eigentlich passiert ist …«
    Jaakko Soisalo drückte die Hand seiner Frau und ergriff das Wort. »Ich habe gestern einen Brief von der Bank bekommen. Sie haben die Absicht, den Kreditrahmen unserer Firma zu kündigen. Und kurz danach kam noch ein Anruf aus St. Petersburg. Unser größter Kunde, die Warenhauskette Lenta, will den Kooperationsvertrag nicht erneuern, obwohl wir die Verlängerung bereits mündlich vereinbart hatten. Die Lieferungen laufen Ende Juni aus, in zwei Monaten.«
    Kati Soisalo hatte ein ungutes Gefühl im Bauch. »Eine Bank kann ja wohl nicht einseitig den Kredit der Firma kündigen, hat sie …«
    »Doch, das kann sie anscheinend. Wir haben uns im letzten Herbst zu Beginn der Rezession schwer verschuldet. Das Kreditlimit wurde mehrmals erhöht, aber die Firma ist trotzdem nicht imstande, die vereinbarten Tilgungen zu zahlen.«
    »Zeigt mir den Brief von der Bank und den Vertrag mit der Warenhauskette. Ich …«
    »Die nehmen ihre Entscheidung nicht zurück, ich habe heute sowohl mit der Bank als auch mit dem Einkaufschef der Lenta-Warenhäuser gesprochen. Mutter hat dich angerufen, in der Hoffnung, dass dir irgendein Mittel einfällt, mit dem wir das Haus behalten könnten.«
    »Das Haus? Was hat das Haus damit zu tun?« Kati Soisalos Stimme wurde lauter.
    »Das war im Winter der einzige Weg, zusätzlichen Kredit zu bekommen, wir haben der Bank das Haus als Sicherheit gegeben. Es ist bis zum Schornstein mit Hypotheken belastet.«
    »Ohne mich zu fragen. Das ist nicht euer Ernst!«, rief Kati Soisalo und stöhnte. »Wie hoch ist der Kredit?«
    »Sechshunderttausend Euro.«
    Kati Soisalo schüttelte den Kopf, sie wagte nicht, sich vorzustellen, welch schwerer Schlag es für Vater und Mutter wäre, wenn sie ihr Zuhause verlieren würden. Sie wohnten seit fast vierzig Jahren

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