Schwarz
bald.
In der Halle schleppte der Killer im grünen Schutzanzug drei Flaschenpaare mit Azetylengas und Sauerstoff direkt neben die Metallkugel. Er regelte das Druckminderungsventil und entzündete die Flamme mit über dreitausend Grad am ersten Schweißbrenner, dann am zweiten und dritten. Schließlich stellte er die Brenner eine Handbreit vom Behälter entfernt auf. Am liebsten hätte er den Kontrollraum in Brand gesteckt, aber das ging nicht, möglicherweise erschien die Polizei am Brandort, bevor er das Fabrikgelände verlassen hätte. Es war ein großer Fehler gewesen, auf den günstigsten Augenblick für die Liquidierung von Kraus und Kara zu warten. Er hätte Kara ohne Rücksicht auf das Risiko schon im Krankenhaus und Kraus sofort nach ihrer Ankunft in Finnland hinrichten müssen. Dieser Auftrag würde wahrhaftig nicht als Meisterleistung in die Annalen eingehen. Niemand war perfekt.
Kara hörte, wie in der Halle etwas polterte und dann zischte. Was machte der Killer? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, warumwurde es in dem Behälter wärmer? Und wie zum Teufel war er wieder in die Situation geraten, gefangen in einem finsteren Loch zu sitzen? Normalerweise hatte er für den Notfall immer ein paar Dialar-Pillen bei sich, aber jetzt fand sich in seinen Taschen nichts, das hatte er den Ereignissen im Hotel zu verdanken.
Kara hockte sich hin, legte den Kopf auf die Knie und stellte sich eine sonnige verschneite Landschaft vor, in der die Trümmer eines Flugzeugs rauchten. Er saß an einem Lagerfeuer und hatte einen Rucksack neben sich, der mit Winterkleidung und Lebensmitteln aus dem Gepäck der umgekommenen Passagiere gefüllt war. Unverwandt schaute er in die Flammen, sie zogen seinen Blick in ihren Bann, und der leuchtend rote Punkt wurde immer größer …
Plötzlich wurde Kara klar, dass er auf eine rot glühende Stelle in der Behälterwand starrte. Er trat näher heran, berührte den Punkt mit dem Finger und schrie vor Schmerz auf – die Wand war glühend heiß. Er drehte sich um und sah einen zweiten roten Punkt. Und noch einen dritten, der etwas größer war als die beiden anderen. Jemand versuchte ihn bei lebendigem Leibe zu braten. Garantiert wartete der Killer draußen vor der Luke.
Er kam sich wie ein Idiot vor, als er gegen die Wand trat und aus vollem Halse schrie.
***
Kati Soisalo stoppte ihren Smart auf der Kuusaantie etwa zweihundert Meter vor dem Industriegelände von Voikkaa.
»Hoffen wir mal, dass mich kein Bekannter in diesem lächerlichen Elefantenschiss gesehen hat«, sagte der einhundertachtzehn Kilo schwere ehemalige Gewichtheber Sakke Tirkkonen auf dem Beifahrersitz und schraubte sich mühsam hinaus. Kati Soisalo hatte den Präsidenten des MC Black Angels gebeten, sie als Bodyguard zu begleiten. Theoretisch könnte sie dank ihrer Fertigkeiten im Krav Maga mit den meisten Männern im Kampf eine gegen einen fertig werden. Aber die Praxis war eine ganz andere Sache.
In einem Prozess vor einem Jahr hatte sie Tirkkonen vor einer Gefängnisstrafe bewahrt, als der Staatsanwalt eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung gefordert hatte. Dem lag aber nur dieZeugenaussage eines Mitglieds der konkurrierenden Motorradclique zu Grunde. Der Mann hatte behauptet, Tirkkonen sei mitten in der Nacht in seine Wohnung eingebrochen und habe ihn mit einem Eishockeyschläger misshandelt. Tirkkonen war zwar ein gewalttätiges Großmaul, aber in einem Rechtsstaat durfte niemand ohne Schuldnachweis in den Knast gesteckt werden.
Kati Soisalo hatte sich während der Fahrt von Helsinki bis hierher einen Plan zurechtgelegt, das Ergebnis war freilich mager. Eins wusste sie allerdings genau, sie würde sofort die Polizei anrufen, wenn sich in den von Etuvartio gemieteten Räumen handfeste Beweise für die Verbrechen von Sibirtek fänden und sobald sie alles fotografiert hätte. Sie wollte die Räumlichkeiten erst selbst durchsuchen. Ohne Polizei. Denn sie fürchtete, dass Ukkola, der in die Aktivitäten von Sibirtek verwickelt war, imstande wäre, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen oder die Beweise zu vernichten. Den Besuch in Voikkaa nicht aufschieben zu können passte ihr gar nicht. Möglicherweise dauerte es noch lange, bis sich Kara im Krankenhaus erholt hatte, und seine Dienstreise in Finnland näherte sich ihrem Ende. Sie war so nervös, dass sie es schon bereute, überhaupt hierhergefahren zu sein. Zum Glück war wenigstens Tirkkonen dabei.
Der Wachmann am Haupteingang
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